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Streit um Strafzölle „Buy Canadian“: Wie Kanadier auf die Trump-Zölle reagieren

Donald Trumps Zollpolitik belastet die Beziehungen der USA zu Kanada schwer. Die Kanadier geben ihm die Quittung an der Kasse: Boykottaufrufe und „Buy Canadian“-Kampagnen finden breite Zustimmung.
11.03.2025, 05:00 Uhr
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Von Gerd Braune

Premierminister Justin Trudeau hatte zuletzt klar ausgesprochen, was er von den Drohungen Donald Trumps hält. Der US-Präsident gebe für die „vollkommen ungerechtfertigten Zölle“ täglich neue Begründungen, aber dahinter stehe ein Ziel: der „totale Kollaps der kanadischen Wirtschaft, weil es dadurch leichter wird, uns zu annektieren“, sagte Trudeau. „Das wird niemals passieren. Wir werden niemals der 51. US-Staat.“

Auch Außenministerin Melanie Joly machte im US-Fernsehen klar: Was Trump mache, sei eine „fundamentale Bedrohung“ Kanadas. Dass Trump von Kanada als 51. US-Staat spreche und den kanadischen Premierminister als „Gouverneur“ bezeichnet, was ihn auf eine Stufe mit den Regierungschefs der US-Bundesstaaten stellt, erzürnt die Kanadierin.

Mit seiner Kampagne, Kanada einzuverleiben und durch Strafzölle zu schädigen, hat Trump den Nerv der Menschen aus dem US-Nachbarland getroffen. Viele sehen die USA nicht mehr als freundlichen Nachbarn, sondern als feindlich gesinntes Land. Die kanadische Regierung bleibt trotz der erratischen Politik Trumps dabei: Auf US-Importe im Wert von 30 Milliarden Can-Dollar bleibt der 25-prozentige Strafzoll bestehen. Kanadas Verbraucher sind gewillt, US-Waren so weit wie möglich zu boykottieren. Für Konsumenten und Handelsketten gilt „Buy Canadian“.

„Die 30 Tage Verzögerung sind nicht ausreichend“, sagte Finanzminister Dominic LeBlanc zu der vorübergehenden Aussetzung von Strafzöllen in der vergangenen Woche, der dann wenige Stunden später die Ankündigung Trumps folgte, Strafzölle auf kanadische Milchprodukte und auf Holzimporte aus Kanada zu erheben. Die zweite Welle von Strafzöllen – auf US-Waren im Wert von 125 Milliarden Dollar – in der zweiten Märzhälfte wurde vorerst gestoppt.

„Buy Canadian“ ist deutlich zu sehen in staatlichen Alkoholläden, wo US-Wein und US-Whiskey bisher einen großen Teil der Angebotspalette ausmachten. In der bevölkerungsreichsten Provinz, Ontario, spielt LCBO, das „Liquor Control Board of Ontario“, eine dominierende Rolle im Wein- und Spirituosenhandel. US-Produkte im Wert von einer Milliarde Can-Dollar, etwa 660 Millionen Euro, werden jährlich in den rund 700 LCBO-Geschäften verkauft. Der Regierungschef Ontarios, Doug Ford, wies LCBO an, US-Produkte aus den Regalen zu entfernen. Das betrifft Wein aus Kalifornien, Whiskey aus Kentucky und vieles mehr.

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In einem LCBO-Laden in der Hauptstadt Ottawa steht Marilyn. „Ich bin ein Weintrinker“, sagt sie, „und kalifornischer Wein ist mein Lieblingswein. Ich habe ausschließlich Kalifornien-Wein gekauft.“ Nun passe sie sich an – „und ich bin froh, dass es keinen kalifornischen Wein und andere Produkte aus den USA hier mehr gibt. Wir müssen etwas tun. Es gibt genug Alternativen.“ Die Frau ­erzählt, sie sei gerade von einem Urlaub in Portugal nach Ottawa zurückgekehrt, nun sieht sie das Angebot von Weinen aus der Duro-Region. In den Regalen, die noch vor wenigen Wochen mit Wein aus den USA bestückt waren, stehen nun Produkte aus Kanada, das eine ständig wachsende Weinindustrie hat, auch aus Australien, Neuseeland, Südafrika und aus fast allen Weinländern Europa

„Ich bin froh, dass ich mit meinem Einkauf auch eine Stellungnahme zu Trump abgeben kann“, sagt auch Anne, die mit ein paar Flaschen Ripasso Valpolicella zur Kasse geht. US-Medienberichten zufolge machen sich die Kentucky Bourbon-Destillerien in den USA heftige Sorgen um ihre Absätze in Kanada. US-Whiskey ist verschwunden, dagegen ist die Präsentation von schottischem, irischem und kanadischem Whiskey deutlich gewachsen.

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Betroffen sind aber nicht nur alkoholische Getränke aus den USA. In den Regalen der Supermärkte sind zahllose Sticker mit dem Ahornblatt zu sehen. Sie zeigen Käufern, welche Produkte „Made in Canada“ sind. Konsumenten steigen, so weit es möglich ist, von Südfrüchten und anderen Lebensmitteln aus den USA um auf Erzeugnisse aus Mexiko, Südamerika oder Europa. „Wir werden stärker als zuvor nach Produkten aus Kanada gefragt“, sagt ein junger Mann, der Regale in einem Supermarkt einräumt.

Auch an einem Brotregal der Handelskette Loblaws prangt an Backwaren ein rotes Schild mit Ahornblatt. „Mehr als früher achten wir darauf, kanadisch zu kaufen“, sagt Jonathan Belval aus Montreal. Das höre er auch von Nachbarn und Freunden in Montreal. Dass er und seine Frau jetzt in Ottawa sind, hat ebenfalls mit Politik zu tun. „Wir haben März-Ferien und wollten mit unseren Kindern eigentlich nach Florida reisen. Aber jetzt nicht“, sagt er. Die Kinder seien darüber zwar zunächst nicht glücklich gewesen, aber nun hätten sie viel Spaß in den für ihre ­Museumspädagogik und interaktive Gestaltung bekannten Museen in Kanadas Hauptstadt.

Fluggesellschaften berichten von deutlichen Rückgängen bei Urlaubs- und Geschäftsreisen von Kanada in die USA und drohenden Umsatzeinbrüchen und Arbeitsplatzverlusten. Wie stark sich der Boykott bemerkbar macht, ist noch nicht klar. Aber die Einstellung „Wir reisen überall hin, nur nicht in die USA“, ist kanadischen Umfragen zufolge sehr populär.

Justin Trudeau hatte Ende Januar, als Trump erstmals die Strafzölle verhängt hatte, den Kanadiern nahegelegt, ihre Reisepläne in die USA zu überdenken. Selbst ein nur zehnprozentiger Rückgang der Reisen aus Kanada würde zu zwei Millionen Besuchen weniger, Einnahmeverlusten der US-Tourismusbranche von 2,1 Milliarden US-Dollar und der Gefährdung von 140.000 Arbeitsplätzen führen, berichtete das Magazin Forbes im Februar.

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Mit die schärfsten Waffen ziehen einige Provinzen bei Energielieferungen in die USA. Aus Ontario und Manitoba fließen große Mengen elektrischer Energie in die USA. ­Ontario versorgt 1,5 Millionen Haushalte in Michigan, Minnesota und New York. Diese Energieexporte belegt Ontario jetzt mit einer 25-prozentigen Zusatzabgabe. Er werde „mit einem Lächeln im Gesicht“ die Stromlief­erung völlig abschalten, wenn die USA ihre Strafzölle nicht aufheben, drohte Premier Doug Ford. „Wenn sie anfangen, Familien in Kanada und besonders in Ontario zu schaden, dann gehen die Lichter aus.“ In British Columbia wird diskutiert, US-amerikanische Lastwagen, die auf dem Weg nach Alaska durch British Columbia fahren müssen, mit Straßennutzungsgebühren zu belegen.

Hinzu kommt: Kanada ist ein wichtiger Abnehmer von US-Gütern und Dienstleistungen und ein wichtiger Lieferant der US-Ökonomie. Das Land, so erklärt die Regierung in Ottawa, „kauft mehr US-Güter als China, Japan, Frankreich und Großbritannien zusammen“. Jeden Tag gehen Güter und Dienstleistungen im Wert von mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar über die Grenze. Für 36 US-Staaten ist Kanada der wichtigste Export-Markt. Auch die Industrien Kanadas und der USA sind so eng verwoben wie nirgendwo auf der Welt. Autos, die in Michigan oder Ontario produziert werden, gehen für den Einbau von Teilen sechs- bis achtmal über die Grenze, bis sie fertig sind.

Dass der Handel und eine seit Jahrzehnten gewachsene Wirtschaftsbeziehung von dem Mann im Weißen Haus nun zerstört werden, ist für viele Kanadier unbegreiflich. Ottawa legte vor wenigen Tagen ein Hilfsprogramm für die vom Handelskriegs betroffenen Unternehmen und Arbeitnehmer auf. Es besteht vor allem aus Darlehen und Änderungen in der Arbeitslosenversicherung, um Härten zu vermeiden, die durch die vorübergehende Reduzierung von Arbeitszeiten notwendig werden sollten.

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Kanada sieht das Verhalten von Trump und seiner Administration als klare Verletzung des in der ersten Trump-Zeit ausgehandelten Freihandelsabkommens zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Dass Trump immer wieder zurückrudern muss, hat aus kanadischer Sicht vor allem einen Grund: Kanadas Gegenreaktion, urteilte ein Mitglied des kanadischen Senats, verursache „mehr Schmerzen in den USA, als sie erwartet hatten.

Aber beide Länder werden unter dem Handelskrieg leiden. Den Kanadiern ist bewusst: Dieser Handelskrieg hat die Freundschaft zu den USA mehr als erschüttert. Sie wird, nach Einschätzung vieler Beobachter, nie mehr so, wie sie einst war. Hunderttausende Arbeitsplätze in Kanada sind gefährdet. Und bei allem Kampfgeist hat Trudeau der Bevölkerung mit eindringlichen Worten auch zu verstehen gegeben: „Es wird hart.“

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