In diesem Sommer traf das Thema die Präsidentin der EU-Kommission höchstpersönlich. Das 30 Jahre alte Pony „Dolly“ von Ursula von der Leyen wurde im heimischen Burgdorf in der Region Hannover eines Nachts mutmaßlich von einem Wolf gerissen. Doch nicht nur die Brüsseler Behördenchefin treibt der Lupus um. Angesichts der wachsenden Wolfspopulation in vielen Mitgliedstaaten fordern zahlreiche EU-Abgeordnete eine Überarbeitung der aktuellen Regelung. Großraubtiere wie Wölfe, Braunbären oder Luchse stehen seit 1992 EU-weit unter strengem Schutz im Rahmen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die „alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung“ dieser Tiere in freier Wildbahn verbietet.
Am Donnerstag stimmte das Europaparlament in Straßburg mehrheitlich für eine Resolution zu dem umstrittenen Beutegreifer, in der die Abgeordneten eine Überprüfung der Vorschrift fordern. So pochen sie unter anderem auf mehr Geld für Schutzmaßnahmen in der Landwirtschaft gegen Wolfsrisse sowie mehr finanzielle Mittel für Entschädigungen nach Übergriffen. Auch der Appell an die Kommission, ein Überprüfungsverfahren zu entwickeln, „damit der Schutzstatus von Populationen in bestimmten Regionen geändert werden kann, sobald der gewünschte Erhaltungszustand erreicht ist“, fand Unterstützung im Plenum.
Es war einer der Änderungsanträge der konservativen EVP-Fraktion. Die Kommission müsse endlich handeln, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke. Bislang drücke sich die Politik vor klaren Entscheidungen. „Berlin bemüht Brüssel und Brüssel verweist auf Berlin.“ Wer aber die Risse in Schafsherden, bei Fohlen oder auch bei anderen Tieren sehe, der wisse: „Es ist fünf nach zwölf.“
Warnung vor "Panikmache"
Seit Monaten verlangen auch einige Mitgliedstaaten, vorneweg Österreich, eine Überarbeitung der Richtlinie. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevi?ius hatte die Bedenken von besonders betroffenen Ländern kürzlich zu zerstreuen versucht. Nun hieß es vonseiten der Kommission, man sei sich „der Dringlichkeit bewusst“. Die Nachhaltigkeit der Viehzucht und der Erhalt von Großraumtieren müssten gewährt werden – beides spiele „eine wichtige Rolle für das Beibehalten des europäischen Ökosystems“.
Die SPD-Europaparlamentarierin Delara Burkhardt widersprach. „Die EVP-Fraktion, getrieben von CDU und CSU, spielt wieder einmal zusammen mit der Rechten und der extremen Rechten mit den Ängsten von Menschen, diesmal vor dem Wolf, auf der Suche nach Identität und Wählerstimmen", kritisierte sie. Ihrer Meinung nach bietet die Richtlinie „bereits die Flexibilität und die Instrumente, um die Koexistenz zwischen Menschen und Wölfen zu gewährleisten“. Vor „Panikmache“ warnte auch der österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz von den Grünen. Gleichwohl räumte er ein, dass das Tier eine Herausforderung darstelle, „insbesondere für jene, die Weidewirtschaft und die besonders klimafreundliche und naturfreundliche Landwirtschaft betreiben“, so Waitz. Bauern sollten „nicht den Preis zu zahlen haben“.