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Emmanuel Macron Ein Visionär mit Schwächen

Macron, ein Visionär mit Schwächen, fordert mehr Unabhängigkeit für die EU. Eine enge Zusammenarbeit mit Berlin ist für den Präsidenten, der eine Schlüsselrolle einnimmt, entscheidend, meint Birgit Holzer.
04.03.2025, 05:00 Uhr
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Von Birgit Holzer

Wäre Europas Lage nicht so heikel, seit sich mit den USA unter Donald Trump der wichtigste Partner ab- und Russlands Präsident Wladimir Putin zuwendet – Emmanuel Macron könnte jubilieren. Die jüngsten Entwicklungen, die bedrohlich für die Ukraine und die gesamte Sicherheitsarchitektur des Kontinents sind, geben dem französischen Präsidenten Recht.

Seit Jahren ermahnt er die EU-Partner, endlich zu „strategischer Autonomie“ zu finden, zu mehr Unabhängigkeit vor allem in Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Stets plädierte Macron für ein selbstbewusstes Auftreten der Gemeinschaft der 27, um angesichts der Rivalitäten anderer Großmächte nicht unter die Räder zu kommen. In dieser Hinsicht hat er sich als Visionär erwiesen.

Eine besondere Schlüsselrolle kommt ihm auch als Präsident der einzigen EU-Atommacht zu, der mehrmals angeboten hat, den französischen nuklearen Schutzschirm über ganz Europa zu spannen. Auch wenn das die bisherige Absicherung durch die USA nicht ausgleichen könnte, so ist eine Debatte über diese Möglichkeit, die Berlin seit Jahren verweigerte, dringend geboten. So könnte Paris seine Schwächung infolge der hohen Staatsverschuldung und innenpolitischen Blockaden ausgleichen. Macron, dessen Minderheitsregierung fragil bleibt, glänzt zumindest auf internationalem Parkett.

Spontan ergriff er die Initiative und lud zuletzt zu Krisengipfeln ein, um wesentliche Gesprächsplattformen zu schaffen. Neben dem britischen Premier Keir Starmer, dessen Land nicht mehr Teil der EU ist, gibt sich Macron als die Führungsfigur, die Europa jetzt braucht, während Deutschland infolge von Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen über Monate gelähmt ist. Macron suchte dennoch die Nähe zu Berlin, indem er den Gesprächsfaden nicht nur mit dem scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz aufrechterhält, sondern auch dessen voraussichtlichen Nachfolger Friedrich Merz mit einbezieht, den er in der vergangenen Woche bereits in Paris empfing. Es geht jetzt nur mit Geschlossenheit, das weiß auch der Präsident, der durchaus auch zu Alleingängen neigt.

Er gibt sich als die Führungsfigur, die Europa jetzt braucht.

Bei der Pressekonferenz mit dem US-Präsidenten just am dritten Jahrestag des Ukraine-Kriegs vor einer Woche gaukelte Macron auf charmante Weise Einigkeit mit Trump vor, während er konsequent dessen Fehlaussagen korrigierte; etwa jene, Europa helfe der Ukraine deutlich weniger als die USA. Als einer der wenigen Staats- und Regierungschefs, die den US-Präsidenten noch aus dessen erster Amtszeit kennen, kann Macron sich einen offeneren Ton erlauben.

Gefruchtet haben seine Überzeugungsversuche dennoch nicht, was wenige Tage später durch den Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington überdeutlich wurde. Spätestens jetzt drängt sich die Erkenntnis auf, dass auch Macron etwas ändern muss, um glaubwürdig zu sein.

Seine diplomatischen Anstrengungen erzeugten in den vergangenen Jahren stets viel Wind, aber erreichten wenig Konkretes. Die lautstark vorgebrachten Forderungen nach mehr Aktion standen immer im Widerspruch zur Statistik des Kiel Instituts für Wirtschaftsforschung, der zufolge Frankreich mit einer Unterstützung für die Ukraine in Höhe von 4,89 Milliarden Euro nur den zehnten Platz erreicht.

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Bisweilen mangelte es Macron auch an einer konstanten Position. In den ersten Monaten nach der russischen Invasion in die Ukraine irritierte er mit dem Ruf nach „Sicherheitsgarantien“ für Putin, bevor er eine Kehrtwende vollzog und vor einem Jahr plötzlich die Entsendung von Bodentruppen ins Spiel brachte.

Diese offensichtlichen Schwächen machen eine enge Abstimmung zwischen Paris und Berlin noch wichtiger. Beide Länder können einander ergänzen, ohne in einen kontraproduktiven Wettbewerb zu treten. Die nächste Bundesregierung sollte die Chance einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit unbedingt nutzen, solange ein proeuropäischer Präsident im Élysée-Palast sitzt. Es ist völlig ungewiss, ob dies in der Zukunft so bleibt.


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