Nach einem mehr als 20 Jahre dauernden Ringen ist der Einstieg in die Mindestbesteuerung der global agierenden Megakonzerne durch 132 OECD-Staaten und den G20-Finanzministern gelungen. Erstmals seit dem Ende des protektionistischen Trump-Isolationismus gehören die USA wieder zu den treibenden Kräften eines neuen Multilateralismus.
Zwei Säulen sollen ab 2023 die Gesamtarchitektur der Mindestbesteuerung stützen. Die erste dient einem weltweiten Mindeststeuersatz von 15 Prozent, egal wo internationale Konzerne ihre Gewinne versteuern. Nutzt ein deutscher Konzern den Niedrigsteuersatz von 12,5 Prozent in Irland, fließt die Differenz von 2,5 Prozentpunkten an die deutschen Steuerbehörden. 827 international tätige Konzerne mit Sitz in Deutschland betrifft das.
Die zweite Säule sorgt dafür, dass Großunternehmen die Steuern nicht mehr nur an den Fiskus im Mutterland zahlen. Beteiligt werden auch die Marktländer, in denen sie riesige Umsatzerlöse erzielen. So werden Google, Facebook, Amazon und andere im Ausmaß ihrer Umsatzerlöse auf dem deutschen Markt Steuern an den hiesigen Fiskus bezahlen. Aber auch international tätige Großkonzerne mit deutschem Unternehmenssitz wie SAP, VW, Allianz und Siemens zahlen künftig diese Marktlandsteuer.
Diese globale Mindestbesteuerung läutet einen Epochenwechsel ein. Beim bisherigen Steuersenkungswettbewerb gab es am Ende nur Verlierer. Staaten haben mit dieser neoliberalen Niedrigsteuerkonkurrenz massiv Finanz- und damit Gestaltungskraft eingebüßt. Nicht der Wettbewerb um den billigsten, sondern ökonomisch, sozial und ökologisch besten Staat hat Zukunft.
Die Kritik an den Beschlüssen von Venedig gilt zu Recht der viel zu geringen Höhe des Mindeststeuersatzes. Der Spielraum im künftigen Wettbewerb mit Niedrigsteuern ist für viele Länder immer noch viel zu groß. So entsteht in Deutschland durch die Mindeststeuermarke von 15 Prozent ein Druck, die Unternehmenssteuersätze nach unten anzupassen. Der ursprüngliche Zielwert von 21 Prozent, den US-Präsident Joe Biden für seinen "New Deal" braucht, geht in die richtige Richtung.
Kritik gilt auch den vielen Konzernen, die wegen der hohen Umsatzschwellen ausgenommen werden. Die größte Sorge ist der Wettlauf, neue Instrumente zur Steuervermeidung zu schaffen. Die EU blamiert sich mit Estland, Irland, Ungarn und Zypern, die eine faire Mindestbesteuerung verweigern.