Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Regierungskrise in Frankreich Letzte Chance für Macron

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist nach dem Aus seines Premierministers mit einer institutionellen Krise konfrontiert. Nun muss er ein altes Versprechen einlösen, meint Birgit Holzer.
09.09.2025, 21:29 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Birgit Holzer

Das Scheitern von François Bayrou kam mit Ansage. Das Schicksal des gefallenen französischen Premierministers schien ab dem Moment vor zwei Wochen besiegelt, in dem er angekündigt hatte, die Vertrauensfrage in der Nationalversammlung zu stellen. Er verfügte dort über keine Mehrheit, hatte es sich aber trotzdem mit allen Oppositionsparteien gründlich verdorben. Nun ist Präsident Emmanuel Macron mit einer institutionellen Krise konfrontiert, die es in dieser Form und Intensität seit Beginn der Fünften Republik 1958 nicht gegeben hat.

Einer der Gründe für sie ist die Zersplitterung der politischen Landschaft. Die jahrzehntelang geltende Links-rechts-Dualität der französischen Politik wurde nicht nur vom Aufstieg der Rechtsextremen aufgebrochen, sondern auch Macron selbst versprach 2017 mit seiner neuen, stark auf seine Person zugeschnittenen Partei, Bewegung in das verkrustete System zu bringen. Er wollte eine Art große Koalition mit moderaten linken und rechten Kräften schmieden. Das Projekt scheiterte krachend. Acht Jahre später sind die Fronten verhärteter denn je.

Bayrou forderte blinde Gefolgschaft

Sie aufzuweichen und Brücken zu bauen, wäre Bayrous Aufgabe gewesen. Doch statt den Dialog zu suchen, hat er blinde Gefolgschaft eingefordert. Durch die künstlich gesetzte knappe Frist für Verhandlungen verspielte er jede Chance auf eine Einigung mit den Sozialisten. Dabei braucht das Land ein faires Budget, das die Wohlhabenden stärker belastet. Die Einkommensschere geht auch in Frankreich seit Jahren stetig auseinander. Auch das Mitte-rechts-Lager muss bereit sein, der Ungerechtigkeit im System entgegenzuwirken.

Zugleich gilt es, die enormen Ausgaben für die Tilgung der Schuldzinsen zu reduzieren – hier hat Bayrou prinzipiell recht. Doch die richtige Erkenntnis führte nicht ans Ziel. Wie sich einer der erfahrensten, ja gerissensten Politiker des Landes täuschen konnte, lässt sich nur mit seiner Abgehobenheit erklären.

Er hat sich dramatisch verpokert, so wie Macron gut ein Jahr zuvor. In einer ähnlich einsamen und impulsiven Entscheidung wie nun sein Premierminister rief der Präsident im Juni 2024 Neuwahlen aus, in deren Folge er seine relative Mehrheit in der Nationalversammlung einbüßte. Zweifellos hatte er das Ausmaß seiner Unbeliebtheit unterschätzt, seine Ablehnung durch weite Teile der Bevölkerung und der politischen Klasse. Seitdem hängt Macron von einer in drei Hauptblöcke geteilten Nationalversammlung ab, die aus dem selbst ernannten Reformer, der das Land regelrecht "transformieren" wollte, einen Staatschef mit innenpolitisch minimalem Handlungsspielraum macht. Schon ein Haushaltsgesetz durchzubringen, wird jedes Jahr zur Zitterpartie.

Macron muss altes Versprechen einlösen

Die Verantwortung für die Misere verteilt sich dennoch auf mehrere Schultern. Die Oppositionsparteien legen jede Suche nach Konsens als Schwäche aus oder befinden sich gar in einer systematischen Oppositionshaltung. Das gilt besonders für den rechtsextremen Rassemblement National, der blockiert, ohne selbst umfassende Vorschläge vorzulegen, abgesehen von der Behauptung, das Problem der Verschuldung lasse sich nur durch den Abbau von Zahlungen für Ausländer und einen geringeren EU-Beitrag lösen. Das ist unseriös.

Aber auch der Präsident hätte längst schon nicht nur von anderen Entgegenkommen einfordern, sondern selbst Bereitschaft dafür zeigen müssen. Macron kann nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste "durchregieren" wie in seiner ersten Amtszeit, als er noch eine absolute Mehrheit hinter sich wusste. Diese hat er genau aus diesem Grund verloren. Will er die verbleibenden eineinhalb Jahre seiner Amtszeit noch nutzen, muss er die Lektion daraus lernen und endlich die Macht teilen. Dass er mit Sébastien Lecornu einen alten Weggefährten einsetzt, klingt nicht wie ein Signal, dass das gelungen ist.

Macron hat angesichts der Krisen der vergangenen Jahre immer wieder angekündigt, er werde "sich neu erfinden", also Fehler korrigieren. Das blieben leere Worte. Nun erhält er die Gelegenheit dazu, das Versprechen umzusetzen. Es ist seine letzte Chance.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)