Wolodymyr Selenskyj und Emmanuel Macron kennen sich gut. Zum achten Mal seit Februar 2022 war der ukrainische Präsident in dieser Woche zu Besuch in Paris, das betonte Frankreichs Präsident gleich beim Empfang des Stammgasts. Er wollte damit die unverbrüchliche Nähe und Hilfe angesichts der russischen Vollinvasion vor dreieinhalb Jahren unterstreichen.
Macron hält sich zugute, im Februar dieses Jahres gemeinsam mit dem britischen Premierminister Keir Starmer das Format der „Koalition der Willigen“ ins Leben gerufen zu haben, die am Donnerstag abermals zusammenkam. Sie zählt inzwischen 35 Mitglieder, darunter auch nicht-europäische Länder wie Australien und Organisationen wie die Nato. Der Kreis stimmt sich regelmäßig über die konkrete Hilfe für die Ukraine und vor allem Sicherheitsgarantien ab. Persönlich anwesend waren beim Treffen in Paris neben Selenskyj unter anderem Starmer, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Andere Teilnehmer wie Bundeskanzler Friedrich Merz, der noch am Abend nach Evian zu einem deutsch-französischen Unternehmertreffen reiste, kamen per Videokonferenz dazu. Auch US-Präsident Donald Trump ließ sich rund eine Stunde lang zuschalten – was per se schon positiv bewertet wurde, ebenso wie die Teilnahme von Trumps Sondergesandten Steve Witkoff.
Moskaus Kriegsreserven im Blick
Selenskyj sagte im Anschluss, es sei „wichtig, die USA auf unserer Seite zu haben“. Lange und „sehr präzise“ habe man über die möglichen Handlungsoptionen gesprochen. Vor allem ging es um wirtschaftliche Mittel: „Man muss der russischen Kriegsmaschine ihre Finanzierung entziehen.“ Auch Macron sagte, die Europäer würden „in Absprache mit den Vereinigten Staaten“ neue Sanktionen beschließen, wenn Moskau weiter den Frieden verweigere.
Ein Durchbruch wurde allerdings nicht erzielt. Einmal mehr betonten die Partner, dass die Sicherheitsgarantie Nummer eins die Unterstützung der ukrainischen Armee sei, die es zu finanzieren, zu bewaffnen und auszubilden gelte. Die Bundesregierung hatte vorgeschlagen, die Luftverteidigung zu verstärken und die offensiven Luftfähigkeiten mit weitreichenden Präzisionswaffen wie Marschflugkörpern zu verbessern, die in der Ukraine mit finanzieller und technologischer Unterstützung hergestellt werden.
Die Präsenz europäischer Soldaten wird, wenn dann, erst für den Fall eines Waffenstillstands oder einer Friedensvereinbarung angedacht – beides ist nicht in Sicht. So bleibt weiter unklar, ob es sich in diesem Fall um eine Beobachtermission oder um eine personell deutlich besser ausgestattete „Rückversicherungsmission“ handeln würde. Zweiterer käme neben der Ausbildung der ukrainischen Armee die grundsätzliche Rolle zu, Russland vor möglichen weiteren Angriffen abzuschrecken. Macron versicherte, 26 Länder seien prinzipiell bereit, im Rahmen einer solchen Mission Soldaten „auf dem Boden, im Meer und in der Luft“ einzusetzen. Die Amerikaner haben ihrerseits eine Entsendung von Truppen ausgeschlossen.
Szenarien für eine mögliche Friedensmission
Im Élysée-Palast wird gerade auch mit Blick auf Berlin betont, die Rolle der einzelnen Teilnehmer lasse sich jeweils festlegen, je nachdem, welchen Beitrag die einzelnen leisten können. Paris wie auch London haben prinzipiell ihre Bereitschaft zur Aussendung von Bodentruppen signalisiert; Macron sagte bereits im Februar 2024, er schließe dies nicht aus. Damals erntete er international Empörung, doch die Debatten haben sich auch in anderen europäischen Ländern weiterentwickelt. Seit mehreren Monaten arbeiten die militärischen Chefs der teilnehmenden Länder Pläne und Szenarien für eine mögliche Friedensmission aus.
In Deutschland bremst die Bundesregierung allerdings die Debatte um mögliche Militäreinsätze in der Ukraine. Darüber werde das Land „ zu gegebener Zeit entscheiden, wenn die Rahmenbedingungen geklärt sind“, ließ Merz am Donnerstag über Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilen. Die Europäer müssten weiter eine eigene Agenda setzen und es gelte, „auf einen Gipfel hinzuarbeiten, an dem auch Präsident Selenskyj teilnimmt“. Gegenüber Trump hätten die europäischen Partner erneut ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sich die Vereinigten Staaten „weiter substanziell in die gemeinsamen Anstrengungen zur Unterstützung der Ukraine, zur Formulierung von Sicherheitsgarantien und zur Gestaltung eines zielführenden diplomatischen Prozesses einbringen würden“.
Allen selbstbewussten Verlautbarungen zum Trotz, und das machte den Anruf bei Trump so wichtig, hängt das künftige Vorgehen entscheidend an der Rolle der USA. Beim Besuch mehrerer europäischer Staats- und Regierungschefs Mitte August in Washington hatte Trump angedeutet, er sei bereit, über Sicherheitsgarantien nachzudenken. Nun, so wurde in Paris betont, wollte man der amerikanischen Seite anlässlich dieses neuerlichen Treffens zeigen, dass die Europäer ihre Zusagen einhalten, den Druck auf Moskau zu erhöhen und letztlich Trumps Ziel zu unterstützen, eine Waffenruhe herbeizuführen. In der Folge werde vom US-Präsidenten erwartet zu sagen, welche Zusagen für solide Sicherheitsgarantien er machen könne.