Der Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität wird in Bremen durch einen Personalengpass in der Kriminaltechnik massiv behindert. Weil bei der Untersuchung sichergestellter Drogen qualifizierte Mitarbeiter fehlen, verzögern sich die Ermittlungen teilweise um mehrere Monate. Mit einem Maßnahmenpaket will die Polizeiführung den Bearbeitungsstau nun allmählich auflösen.
Das Kürzel, das für das Problem steht, lautet KTU. Es bedeutet kriminaltechnische Untersuchung. Die ist unter anderem dann erforderlich, wenn Drogenfahnder verdächtige Substanzen sicherstellen. Um die Beschaffenheit der Drogen zu bestimmen, sind chemische Analysen erforderlich. Für sogenannte Betäubungsmittel-Schnelltests gab es bei der Bremer Kripo zuletzt Wartezeiten von bis zu drei Monaten. Das Erstellen der eigentlichen Gutachten dauerte sogar deutlich länger. Für kriminaltechnische Expertisen ohne Vorrangstatus galt nach Darstellung des Bundes der Kriminalbeamten (BDK) eine Bearbeitungszeit von bis zu drei Jahren. Selbst bei priorisierten Vorgängen – insbesondere Haftsachen – mussten die Ermittler rund zweieinhalb Monate auf ein Ergebnis warten.
Bremen bildet das Schlusslicht
In Niedersachsen und den übrigen Bundesländern liegen die Resultate kriminaltechnischer Untersuchungen sehr viel schneller vor. Das hat eine Abfrage des Bremer BDK-Landesverbandes ergeben. Der Stadtstaat bilde „insbesondere bei den nicht priorisierten Umfangsgutachten mit erheblichem Abstand das Schlusslicht“, heißt es in einem Papier des Verbandes. In keinem Bundesland gebe es bei der KTU Bearbeitungszeiten von mehr als einem Jahr.
Inzwischen hat die Bremer Polizeiführung reagiert. Als Sofortmaßnahme wurden zwei pensionierte Kriminalbeamte zurückgeholt. Auf der Basis von Dienstverträgen im Umfang von 50 Stunden pro Monat helfen sie, den Stau abzuarbeiten. Außerdem sind Neueinstellungen geplant. Unter anderem ist eine Sachverständigenstelle für den Fachbereich Chemie ausgeschrieben. Eine chemisch-technische Fachkraft ist bereits ausgewählt und soll in Kürze eingestellt werden. Gleiches gilt für eine weitere Assistenz.
Zudem prüft die Polizei inzwischen – in Absprache mit der Staatsanwaltschaft – von Fall zu Fall, ob bei der KTU jeweils das volle Programm erforderlich ist. So sollen „nicht erforderliche, aber arbeitsintensive Untersuchungen“ vermieden werden, sagt Polizeisprecherin Jana Schmidt. Es zeichne sich bereits ab, dass die eingeleiteten Maßnahmen zu greifen beginnen. Bei den sogenannten Schnellgutachten gebe es eine „erhebliche Entlastung“, sodass „vermehrt Ermittlungsvorgänge abgeschlossen werden konnten“, so Schmidt. Sie geht davon aus, dass bei diesem Gutachtentyp die Bearbeitungsrückstände bis April 2018 abgearbeitet sind. Schmidt: „Belastbare Aussagen zur Gesamtwirkung der Maßnahmen werden sich allerdings voraussichtlich erst nach Arbeitsantritt und Einarbeitung aller Verstärkungskräfte sowie nach einer angemessenen Bearbeitungsdauer im neuen Modus treffen lassen.“
Wer ist Vater des Erfolgs?
Unterschiedliche Auffassungen gibt es darüber, wer die Wende zum Besseren eingeleitet hat. Der BDK-Landesverband sieht sich als Vater des Erfolgs. Er will auf das Landeskriminalamt zugegangen sein und gegenüber der Behörde die Missstände bei der kriminaltechnischen Untersuchung angeprangert haben. Mag sein, kommentiert Polizeisprecherin Schmidt den Vorgang, aber die Maßnahmen seien bereits vor der Initiative des BDK „eigeninitiativ durch die Fach- und Führungsverantwortlichen innerhalb der Polizei Bremen eingeleitet worden“.
BDK-Landesvize Rüdiger Leefers kündigt an, sein Verband werde die Entwicklung bei der KTU „weiter kritisch begleiten“. Gleiches gelte für andere Defizite in der Polizeiarbeit. Vor einigen Wochen hatten Vertreter des BDK bei einem Gespräch mit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) Personalengpässe bei der Kripo beklagt. So häuften sich insbesondere bei Betrugs- und Vermögensdelikten die nicht bearbeiteten Strafanzeigen. Auf diesem Gebiet herrschten „desolate Zustände“, heißt es in einem Papier des BDK. Auch die Kommissariate, in denen Menschenhandel, Glücksspiel, Falschgeld oder Drogenkriminalität bearbeitet werden, seien „kaum mehr handlungsfähig“. Einen Lichtblick sieht der Bund der Kriminalbeamten lediglich in der Aufstockung der Abteilung für politisch motivierte Kriminalität, die aufgrund der allgemeinen Terrorgefahr und der hohen Anzahl von Gefährdern bereits vor mehreren Monaten erfolgte.