Bei der CSU brennen jetzt offenbar kollektiv alle Sicherungen durch: Parteichef Seehofer maßt sich die Richtlinienkompetenz eines Bundeskanzlers an, während die eigentliche Kanzlerin wie eine Wahlkampfgegnerin angegangen wird. Bayerns Regierungschef Söder schwadroniert vom „Endspiel um die Glaubwürdigkeit“, manche CSU-Abgeordnete wollen gar raus aus der gemeinsamen Fraktion mit der CDU.
Der letzte Großbayer, der den Mund so voll nahm, war 1976 Franz Josef Strauß. Ganz schnell wurde er kleinlaut, als der damalige CDU-Chef Helmut Kohl drohte, umgehend einen CDU-Landesverband in Bayern zu gründen. So kann Angela Merkel der ewig quengelnden „Schwester“ heute nicht mehr den Stecker ziehen, denn sie steht auch in der eigenen Partei unter Druck. Inhaltlich teilen dort viele Seehofers Vorstellungen.
Sie wollen das Dublin-Abkommen wieder anwenden, nach dem registrierte Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten – und das sind sämtliche Nachbarn Deutschlands – in eben diesen bleiben sollen. Absehbar ist aber auch, dass die überlaufenen Erstaufnahme-Länder am Mittelmeer dann die Migranten einfach wieder unregistriert durchreisen lassen.
Man fragt sich also, warum die CSU auf ein europäisches Abkommen pocht, das erkennbar nicht funktioniert hat. Ja, in vier Monaten wird in Bayern gewählt. Aber statt jetzt taktisch etwas Plakatives zu tun, wäre es doch viel überzeugender, strategisch etwas Nachhaltiges zu schaffen: endlich gemeinsam mit Merkel eine faire Regelung innerhalb der EU durchzusetzen. Was Bayern von einem Scheitern Merkels hätte, bleibt das Geheimnis der Seehofers und Söders – aber sie arbeiten mit Zorn und Eifer daran.