Der Personalnotstand in deutschen Kliniken wird deutlicher. Nach einer aktuellen Befragung haben inzwischen vier von fünf Krankenhäuser Probleme, offene Pflegestellen zu besetzen. Bundesweit sind 17.000 Pflegestellen verwaist. Bei den Ärzten sieht es nicht viel besser aus. 76 Prozent der fast 2000 Kliniken im Land kämpfen damit, Mediziner für vakante Posten zu finden. Die Folgen dieses Fachkräftemangels: In jedem dritten Haus mussten zeitweise Intensivbetten gesperrt und Fachbereiche von der Notfallversorgung abgemeldet werden.
Die Zahlen stammen aus dem neuen Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Sie verdeutlichten, „welch ungeheurer Handlungsdruck besteht, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern“, sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Die Situation verschärfe sich „dramatisch“, betonte er. Die Politik müsse „dringend Gegenmaßnahmen zur Entlastung des Personals ergreifen, sonst steuern wir auf eine ernste Versorgungskrise hin.“
Intensivmedizin besonders betroffen
Nach der Umfrage hat sich die Zahl der vakanten Pflegestellen seit 2016 enorm erhöht – in der Intensivmedizin um 50 Prozent, auf Allgemeinstationen sogar um mehr als 200 Prozent. Je größer das Klinikum, desto heftiger die Probleme. Von den Häusern mit mehr als 600 Betten schaffen es 95,2 Prozent nicht, offene Pflegestellen auf Allgemeinstationen zu besetzen. Auf Intensivstationen liegt die Quote bei 97,4 Prozent. Die Umfrageergebnisse sind repräsentativ, sie beruhen auf den schriftlichen Angaben von 268 Allgemeinkrankenhäusern mit mehr als 100 Betten.
Auch in Berliner Kliniken fehlen Pflegekräfte und Mediziner. Allein 100 neue Pflegekräfte würden für die Charité benötigt, sagte deren Ärztlicher Direktor, Ulrich Frei, vor Kurzem dem Tagesspiegel. Die ebenfalls landeseigenen Vivantes-Kliniken lobten bereits Prämien für Fachpersonal in der Pflege aus.
Untergrenzen sind kontraproduktiv
Vor dem Hintergrund solcher Vakanzen sei die politisch gewollte Einführung von Untergrenzen fürs Pflegepersonal kontraproduktiv, warnte der Verbandspräsident. Sie führten nur dazu, dass noch mehr Kapazitäten abgemeldet würden und zusätzliche Versorgungsengpässe entstünden. Um die Situation in den Kliniken zu verbessern, müssten sich Politik und Krankenkassen vielmehr endlich von ihrer „Regulierungswut“ verabschieden und die entstandene Bürokratielast „konsequent und mutig“ abbauen.
Auch die wirtschaftliche Situation hat sich der Studie zufolge weiter verschlechtert. 2018 hätten 40 Prozent der Kliniken Verluste gemacht, heißt es. 2017 seien es noch 30 Prozent gewesen. Selber beurteilt nur noch jedes fünfte Krankenhaus seine wirtschaftliche Lage als gut. Gleichzeitig sind die Erwartungen für das Jahr 2020 alles andere als optimistisch: Nur für ein Sechstel aller Kliniken (17 Prozent) erwarten die Betreiber eine Verbesserung. Für 44 Prozent der Häuser wird dagegen prognostiziert, dass es weiter bergab geht.
40 Prozent der Kliniken im Minus
„Diese Entwicklung sollte alle Alarmglocken läuten lassen“, sagte Gaß. Dass 40 Prozent der Häuser rote Zahlen schrieben, liege nicht an den Kliniken. Es sei „ein eindeutiges Symptom für die unzureichenden Finanzierungsrahmenbedingungen“. Die Politik müsse endlich „einen Weg aus der kalten Strukturbereinigung durch Krankenhausinsolvenzen finden“. Die jüngsten Vorschläge zur Reform von Rechnungskontrollen durch den Medizinischen Dienst deuteten jedoch darauf hin, dass das Gegenteil der Fall sei. „Wir benötigen eine klare Kehrtwende in der Krankenhauspolitik“, so der Präsident der deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.