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Washington Comeback eines Besserwissers: Richard Cheney ist wieder da

Washington. Das weiße Haar ist noch dünner geworden, aber die tiefe Raucherstimme ist fest. Wenn Richard „Dick“ Cheney redet, die Hände ans Pult geklammert, dann klingt er so unbeirrt wie eh und je.
14.09.2014, 00:00 Uhr
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Von Frank Herrmann

Das weiße Haar ist noch dünner geworden, aber die tiefe Raucherstimme ist fest. Wenn Richard „Dick“ Cheney redet, die Hände ans Pult geklammert, dann klingt er so unbeirrt wie eh und je.

In der ersten Reihe sitzt Lewis „Scooter“ Libby, sein früherer Stabschef. In der zweiten Paul Wolfowitz, der einst im Pentagon den Irakkrieg mitplante. Der Saal im American Enterprise Institute, einem konservativen Thinktank, ist bis auf den letzten Platz besetzt, die Gäste erheben sich ehrerbietig von den Sitzen, als der Redner erscheint. Der 73-Jährige hat nebenan ein Büro. Es ist ein Heimspiel für ihn, buchstäblich. Er genießt es, er gibt den Rufer in der Wüste, der endlich wieder Gehör findet. Jetzt, da US-Präsident Barack Obama seinen Fehler kapiert und den Aufstieg der Terroristenarmee IS nicht länger aus der Zuschauerperspektive betrachtet. So sieht es Cheney, aus dessen Sätzen so etwas wie grimmige Genugtuung spricht. „Wir sind im Krieg. Wir müssen tun, was nötig ist, solange es nötig ist. Bis wir gewonnen haben.“

Als Nächstes, verlangt er, solle der Präsident den Rückzug aus Afghanistan stoppen, er solle eine Militäraktion gegen Iran befehlen, „wenn das geboten ist“. Und beim Verteidigungsetat nicht länger den Rotstift ansetzen. „Um es zusammenzufassen: Krieg, Krieg und noch mehr Krieg“, wird der scharfzüngige Dana Milbank hinterher in der Washington Post schreiben.

Der Vizepräsident George W. Bushs hat sich nie an die ungeschriebene Regel gehalten, der sein Chef folgt. Bush lässt die Politik seines Nachfolgers unkommentiert, er führt ein ruhiges Leben in Dallas, zerschneidet hier und da ein paar rote Bänder, reißt hier und da ein paar Witze – ansonsten schweigt er. Cheney dagegen wirkt wie ein notorischer Besserwisser, der auch im Alter nicht loslassen kann.

Als er im Januar 2009 aus dem Amt schied, waren seine Sympathiewerte auf rekordniedrige 13 Prozent gesunken. Der unpopuläre Feldzug im Irak, Wasserfolter und Geheimgefängnisse im „Krieg gegen den Terror“ – das alles hing wie zentnerschwerer Ballast an dem Mann, in dem die ernüchterte Öffentlichkeit die treibende Kraft der Invasion im Zweistromland sah. Er würde daheim in Wyoming Rebhühner jagen oder an einem stillen See angeln, glaubte man damals. Doch es kam anders. Seit über fünf Jahren lässt Cheney keine Gelegenheit aus, den Kurs Obamas zu geißeln – und das in markigen Worten, die keinerlei Selbstzweifel erkennen lassen. Nach einer Herztransplantation, fünf Infarkten folgend, ist die kränkliche Blässe mittlerweile aus seinem Gesicht verschwunden. Cheney hat Kraft getankt. Umso angriffslustiger sucht er die Offensive.

„Selten hat ein US-Präsident in so vielen Dingen auf Kosten so vieler so falsch gelegen“, schrieb er im Juni dieses Jahres – zusammen mit seiner Tochter Liz – im Wall Street Journal. Selbst Megyn Kelly, Moderatorin des stramm konservativen Senders Fox News, staunte über die Chuzpe. „Hat die Geschichte nicht bewiesen, Sir, dass auch Sie daneben lagen im Irak?“, hakte sie nach. Saddam Husseins vermeintliche Massenvernichtungswaffen, die Prognose, Bagdad würde die GIs als Befreier bejubeln: Ob der Herr Vizepräsident nach 4500 toten US-Soldaten und einer Billion in den Sand gesetzter Dollar nicht auch zugeben müsse, dass er sich geirrt habe?

Im Enterprise Institute ist mit solcher Impertinenz nicht zu rechnen, nur mit Applaus. Zuvor hat Cheney vor der republikanischen Fraktion des Repräsentantenhauses geredet, vor Abgeordneten, die ihn lange gemieden hatten wie einen peinlichen Verwandten. Es war sein Comeback auf der großen politischen Bühne. Obama, sagt Cheney nun grimmig, habe einmal vor den Vereinten Nationen erklärt, dass keine Weltordnung Erfolg haben könne, wenn sie eine Gruppe von Nationen über andere erhebe. „Nun, er scheint amerikanische Macht als Problem zu begreifen. Er hat bewiesen, dass er amerikanischer Macht als Kraft des Guten zutiefst misstraut.“

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