Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten steht der Verdacht im Raum, dass Russland Einfluss auf den Wahlkampf genommen haben könnte. Im Oktober ergaben interne Ermittlungen von Facebook, dass russische Regierungs-Trolle über 80 000 Polit-Anzeigen auf Facebook schalteten, die bis zu 126 Millionen amerikanische Wähler erreicht haben könnten. Vergangene Woche präsentierte US-Sonderermittler Robert Mueller eine Anklageschrift, in der sich der Verdacht russischer Einflussnahme erhärtet. Der 37-seitige Bericht, der sich stellenweise wie ein Politthriller liest, listet haarklein auf, wie russische Agenten unter Annahme falscher Identitäten versuchten, das politische System der USA zu hacken. Im Zentrum der Ermittlungen steht eine Organisation namens „Internet Research Agency“, die ausweislich des Berichts im Juli 2013 als eine Körperschaft bei der russischen Regierung registriert wurde und in einem schmucklosen Gebäude in Sankt Petersburg residiert.
Die Troll-Fabrik steht seit längerem im Fokus der Öffentlichkeit. US-Medien hatten über die Cyberarmee, die im Ukraine-Konflikt das Land mit pro-russischen Propagandabeiträgen bombardierte, bereits 2015 berichtet. Die Behördenmitarbeiter, im internen Sprachgebrauch „Spezialisten“ genannt, hatten die Aufgabe, in einer Tages- und Nachtschicht Fake-Profile in sozialen Medien zu kreieren, die so aussehen sollten, als stammten sie von Amerikanern. Die Agenten gingen mit äußerster Professionalität vor: Sie schnitten die Gruppen auf bestimmte geografische und politische Profile zu.
Um ihre Identität zu verschleiern, kauften sich die Agenten Speicherplatz auf lokalen US-Servern, und bauten ein virtuelles privates Kommunikationsnetz auf. Darüber konnten sich die Hacker quasi als blinde Passagiere unerkannt durch US-Netze bewegen und Social-Media-Accounts eröffnen. Für die Bezahlung der Polit-Anzeigen nutzten die Agenten russische Bankkonten und Kreditkarten, die auf fiktive US-Bürger zugelassen waren, sowie gestohlene Accounts des Bezahldienstes PayPal. Ab 2016 sollen die Agenten durch Aufrufe im Netz Kundgebungen angezettelt haben, etwa einen „Marsch für Trump“.
Die Aktivitäten tragen eindeutig die Handschrift des Geheimdienstes
Die konspirativen Aktivitäten tragen eindeutig die Handschrift des Inlandsgeheimdienstes FSB, dessen Standard-Repertoire der Diversion und Desinformation von ihrem ehemaligen Direktor, Russlands Präsident Wladimir Putin, in dessen aggressive Großmachtpolitik überführt wurde. Die Internet Research Agency ist dabei nur eine Division einer lose strukturierten Cyberarmee, zu der unter anderen auch die Gruppe Fancy Bears gehört, die für den Hack auf den demokratischen Parteikonvent verantwortlich sein soll. Der Datendiebstahl sowie die nonchalante Nutzung der amerikanischen Computer-Infrastruktur zeigen jedoch eine neue Dimension in der Manipulation ausländischer politischer Systeme auf. Vor allem führen sie die Verwundbarkeiten der amerikanischen Öffentlichkeit vor Augen, die von einer Troll-Fabrik in Russland gelenkt und aufgewiegelt wird. Die Anklageschrift zeichnet ein völlig anderes Bild sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter, die während des Arabischen Frühlings noch als Demokratisierungswerkzeug und amerikanische Soft Power bejubelt wurden und die sich im Lichte der Ermittlungen nun als Manipulationsmaschinen erweisen.
Die Frage ist: Welche Verantwortung trägt Facebook, dessen Authentifizierungsverfahren offenbar nicht sicher genug war? Wie genau prüft Paypal, worüber die Politanzeigen bezahlt wurden, seine Konten? Dass der PayPal-Gründer und Facebook-Investor Peter Thiel ein Berater Donald Trumps ist und sein Bezahldienst zum Vehikel russischer Manipulationsversuche wurde, hinterlässt ein gewisses Odium. Dass Muellers Ermittlungsteam neben Facebook auch die Firma Cambridge Analytica konsultierte, die Donald Trump mit Big-Data-Methoden zum Wahlsieg verholfen haben soll, trägt nicht zur Glaubwürdigkeit der Dokumente bei. Ausgerechnet jene Firma, die Trump Daten verkauft haben soll, soll nun mit ihren Daten die Beziehungsnetze zu Russland aufdecken. Die Verwerfungslinien in der Russland-Affäre sind extrem unübersichtlich.
Facebook will Anzeigenkunden künftig per Postkarte verifizieren. Wer Wahlwerbung schalten will, muss eine physische Adresse besitzen. Ob sich damit Polit-Kampagnen aus dem Ausland eindämmen lassen, ist jedoch fraglich. Dem russischen Geheimdienst dürfte es wohl keine Schwierigkeiten bereiten, irgendwo in den USA eine Briefkastenfirma zu eröffnen.