Vor 100 Jahren trat das Frauenwahlrecht in Kraft. Heute sowie am Jahrestag im November wird landauf landab dieser Errungenschaft gedacht werden. Zu gedenken ja – zu feiern aber gibt es wenig. In Sachen Gleichberechtigung befinden wir uns in Deutschland im Rückwärtsgang.
Laut Weltwirtschaftsforum (WEF) ist der Abstand zwischen den Geschlechtern im Hinblick auf Gesundheit, Bildung, ökonomische Teilhabe und politische Mitwirkung im vorigen Jahr erstmals seit elf Jahren wieder größer geworden, es reichte für Deutschland nur für Rang 12. Beim ersten Ranking 2006 stand die Bundesrepublik noch auf Platz 5.
Im Bundestag sind 31 Prozent der Abgeordneten weiblich, in der Bremischen Bürgerschaft 34 Prozent – weniger als zuvor, noch weniger repräsentativ: 51 Prozent der Bevölkerung sind Frauen. Hier hilft nur ein Parité-Gesetz, eine Quote fürs Parlament, wie es sie in anderen EU-Ländern längst gibt. Deutschland will Spitze sein, und ist es in vielen Punkten. Doch bei der Gleichstellung von Frauen fehlt es ganz klar an Ehrgeiz.
Wir brauchen einen langen Atem und viel Kraft. Das war nie anders. Schon in der Aufklärung, deren Ideale bis heute wirken, engagierten sich viele Frauen in der Hoffnung auf gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Umsonst: Die Fortschrittsidee blieb jahrhundertelang Männersache.
Wer laut war, lebte gefährlich. Olympe de Gouges forderte bereits 1791 die volle rechtliche, politische und soziale Gleichstellung der Frauen und verfasste damit die ersten allgemeinen Menschenrechte. Sie sagte: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen, sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen.“ Makaber, denn beide Rechte wurden ihr gewährt.
Sie wurde 1793 hingerichtet. Um den Emanzipationsspuk zu beenden, beschloss die Revolutionsregierung im selben Jahr, dass „Kinder, Irre, Minderjährige, Frauen und Kriminelle keine Bürgerrechte genießen“. „Mensch-Sein“ beschränkte sich Ende des 18.Jahrhunderts auf „weiß sein“ und „Mann sein“.
Beides spielt bis heute eine wesentliche Rolle, nicht nur dort, wo die #MeToo-Debatte ihren Ausgang nahm, in Hollywood. Auch bei uns ist Weiß-Sein und Mann-Sein eine gute Basis für wirtschaftlichen Erfolg. Da reicht ein Blick auf die Schaffermahlzeit und die Eiswette.
Laut Weltwirtschaftsforum ist die Gleichstellung in der Arbeitswelt im Jahre 2186 erreicht, wenn es im heutigen Schneckentempo weitergeht. So lang möchte ich nicht mehr warten, und mit mir viele Frauen und Männer auch nicht. Gleichstellung ist ein Gradmesser für Demokratie. Der Internationale Frauentag ist ein Tag, der uns daran erinnert.
Zur Person:
Unsere Gastautorin Bettina Wilhelm ist seit vergangenem November Bremer Landesfrauenbeauftragte. Zuvor war die 53-jährige Erste Bürgermeisterin von Schwäbisch-Hall.