Das neue Coronavirus hat die Gesellschaft und die Wirtschaft in Deutschland voll im Griff. Auch in Bremen wächst die Zahl der Unternehmen, denen wegen ihrer Erlöseinbußen die Pleite droht. Gut ist: Die Politik begreift endlich die medizinischen und ökonomischen Herausforderungen. Dafür stehen die Bundesregierung und die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz. Für unbürokratische Liquiditätshilfen, Notkredite, Steuerstundungen sowie ein Konjunkturprogramm sollte der „Sicherungsfonds für Wirtschaft und Arbeit (SWA)“ eingerichtet und auch verfassungskonform mit Krediten finanziert werden. Zusätzliche Liquidität stellt auch die Europäische Zentralbank (EZB) über die Banken zur Verfügung.
Die medizinischen und ökonomischen Sofortmaßnahmen – endlich frei von Ideologie über das, was der Staat nicht darf – verdienen Anerkennung. Nur das Kurieren an den Symptomen reicht jedoch nicht. Die in China gestartete Pandemie zeigt lang angelegte Fehlentwicklungen: Erstens hat sich mit der Globalisierung eine bedrohliche Abhängigkeit von wenigen Billigproduktionsstandorten konzentriert auf China durchgesetzt. Das ist der Preis, der für kurzsichtig gewinngetriebene Produktionsverlagerungen auch durch deutsche Konzerne jetzt bezahlt werden muss.
Zweitens zeigt sich plötzlich die bedrohliche Abhängigkeit von Lieferungen medizinischer Wirkstoffe aus der infizierten chinesischen Provinz Hubei. Die Ursache liegt auch bei deutschen Pharmaziekonzernen, die über Jahre ganze Produktgruppen wie Antibiotika mangels Rentabilität ausgelagert und die Forschung eingestellt haben. Gefordert wird jetzt eine nationale Grundversorgung mit lebensnotwendigen Medikamenten auch durch die finanzielle Stärkung lokaler Produktionsstätten.
Drittens sind Schwachstellen bei der wirtschaftlichen Ordnung des deutschen Gesundheitssystems unübersehbar. Wachsende Gewinnorientierung steht im Widerspruch zum Gesundheitssystem als öffentlich zu sicherndes Gut. Die städtischen und gemeinwohlorientierten Krankenhäuser Bremens im Dienste der Daseinsvorsorge verdienen ein Lob. Vom Engagement in der aktuellen Not durch die gewinngetriebenen Krankeneinrichtungen ist wenig zu erkennen. Und viertens ist entgegen den Privatisierungsfantasien ein handlungsfähiger und finanziell mutiger Staat im Dienst für die Gesellschaft und Wirtschaft gefordert. Allerdings muss Deutschland noch lernen, seinen teils inkonsistenten Föderalismus den länderspezifisch unteilbaren nationalen Anforderungen anzupassen.
Unser Gastautor
ist Finanzwissenschaftler und Gründungsdirektor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen. Hickel übt heute Berater-und Gutachtertätigkeiten aus.