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Kommentar über Medizin und Ökonomie Erste Lehren aus der Wirtschaftskrise in Zeiten von Corona

Deutschland stellt sich den Herausforderungen der Corona-Krise. Aber das Kurieren an den Symptomen reicht nicht. Die Pandemie zeigt lang angelegte Fehlentwicklungen, meint unser Gastkommentator Rudolf Hickel.
15.03.2020, 09:36 Uhr
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Von Rudolf Hickel

Das neue Coronavirus hat die Gesellschaft und die Wirtschaft in Deutschland voll im Griff. Auch in Bremen wächst die Zahl der Unternehmen, denen wegen ihrer Erlöseinbußen die Pleite droht. Gut ist: Die Politik begreift endlich die medizini­schen und ökonomischen Herausforderungen. Dafür stehen die Bun­desre­gierung und die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz. Für unbürokrati­sche Liquiditäts­hilfen, Notkredite, Steuerstundungen sowie ein Konjunkturpro­gramm sollte der „Sicherungsfonds für Wirtschaft und Arbeit (SWA)“ eingerichtet und auch verfas­sungskonform mit Krediten finanziert werden. Zusätzliche Liquidität stellt auch die Europäische Zentralbank (EZB) über die Banken zur Verfügung.

Die medizinischen und ökonomischen Sofortmaßnahmen – endlich frei von Ideo­logie über das, was der Staat nicht darf – verdienen Anerkennung. Nur das Kurieren an den Symptomen reicht jedoch nicht. Die in China gestartete Pandemie zeigt lang angelegte Fehlentwicklungen: Erstens hat sich mit der Globalisierung eine bedrohliche Abhängigkeit von we­nigen Billigproduktionsstandorten konzentriert auf China durchgesetzt. Das ist der Preis, der für kurzsichtig gewinngetriebene Produktionsverlagerungen auch durch deutsche Konzerne jetzt bezahlt werden muss.

Zweitens zeigt sich plötzlich die bedrohliche Abhängigkeit von Lieferungen me­dizinischer Wirkstoffe aus der infizierten chinesischen Provinz Hubei. Die Ursa­che liegt auch bei deutschen Pharmaziekonzernen, die über Jahre ganze Pro­dukt­gruppen wie Antibiotika mangels Rentabilität ausgelagert und die For­schung eingestellt haben. Gefordert wird jetzt eine nationale Grundversorgung mit le­bensnot­wendigen Medikamenten auch durch die finanzielle Stärkung lokaler Produkti­onsstätten.

Drittens sind Schwachstellen bei der wirtschaftlichen Ordnung des deutschen Gesundheitssystems unübersehbar. Wachsende Gewinnorientierung steht im Widerspruch zum Gesundheitssystem als öffentlich zu sicherndes Gut. Die städtischen und gemeinwohlorientierten Krankenhäuser Bremens im Dienste der Daseinsvorsorge verdienen ein Lob. Vom Engagement in der aktuellen Not durch die gewinngetriebenen Krankeneinrichtungen ist wenig zu erkennen. Und viertens ist entgegen den Privatisierungsfantasien ein handlungsfähiger und finanziell mutiger Staat im Dienst für die Gesellschaft und Wirtschaft gefor­dert. Allerdings muss Deutschland noch lernen, seinen teils inkonsistenten Fö­deralis­mus den länderspezifisch unteilbaren nationalen Anforderungen anzu­passen.

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Unser Gastautor

ist Finanzwissenschaftler und Gründungsdirektor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen. Hickel übt heute Berater-und Gutachtertätigkeiten aus.

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