Nachdem Donald Trump die Verteidigungspflicht der Nato und somit den US-amerikanischen Schutz für säumige Beitragszahler unter den Bündnispartnern angezweifelt hatte, brachte Katarina Barley, SPD-Spitzenpolitikerin für die Europawahl, als Konsequenz eine atomare Aufrüstung der Europäischen Union (EU) ins Gespräch. Ein brauchbarer Impuls, nur stimmt die Richtung nicht.
"Lose-lose"-Situation (Niederlage-Niederlage) nennt die Münchener Sicherheitskonferenz, die an diesem Wochenende tagt, die Lage in der Ukraine in ihrem aktuellen Sicherheitsreport 2024. Der Grund: Das imperialistische Gehabe des Kreml sorge für heftige Verluste auf ukrainischer Seite, schade aber auch der eigenen Bevölkerung. Viele internationale Verträge in der Politik würden heute unter dieser Prämisse gemacht: Erfolg ist, wenn man mehr gewinnt als andere – oder eben weniger verliert. Genau das scheint Trump mit seinem Vorstoß bezwecken zu wollen.
Aber auch das halb gare Geschacher um eine atomare Aufrüstung innerhalb Europas zeigt das deutlich. Frankreich fordert eine europäische Atomwaffenstrategie, gehört aber bis heute nicht der nuklearen Planungsgruppe der Nato an. Europäisches Atomwaffenprogramm ja, aber nur, wenn die einzige EU-Atommacht den Hut aufhat. Bundeskanzler Olaf Scholz vertraut indes auf den US-amerikanischen Atomwaffenschirm. Solange Trump diesen nicht einklappt, sieht der Kanzler offenbar keinen Handlungsbedarf. Warum also unter einen europäischen schlüpfen?
Der Bau eigener Nuklearwaffen durch die EU dürfte rechtlich schwierig sein. Alle Mitgliedstaaten haben den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben. Auf europäischem Boden bleiben also neben Frankreichs noch Großbritanniens Atomwaffen. Scholz, Macron und der britische Premier, Rishi Sunak, sollten mit allen europäischen Staaten ein Programm entwerfen, das in Summe keine atomare Aufrüstung beinhalten darf, sondern nur die geschickte und zeitnahe Umverteilung der französischen wie britischen Nuklearwaffen auf dem Kontinent. Das würde Russland zeigen: Der Kontinent kann sich auch ohne die USA geschlossen und militärisch wirksam organisieren. Ein selbstständiges Europa – das wäre eine wirkliche Abschreckung für Russland.