Es war als große Geste gedacht: Obwohl Facebook-Chef Mark Zuckerberg das Internet immer wieder als Zukunft bezeichnet, hielt er es wohl für notwendig, seiner Botschaft Nachdruck zu verleihen, indem er sie vom Bildschirm in die Wirklichkeit holte. Ganz analog, nämlich auf seitenfüllenden Zeitungsanzeigen, entschuldigte sich der Gründer eines der größten Digitalunternehmen der Welt für den Missbrauch von Nutzerdaten durch die britische Politikberatungsfirma Cambridge Analytica.
"Wir haben die Verantwortung, eure Daten zu schützen. Wenn wir das nicht können, haben wir euer Vertrauen nicht verdient“, schreibt Zuckerberg. Auf Facebook hatte er zuvor Ähnliches verkündet. Seinen Post schloss er mit versöhnlichen Worten: "Ich danke allen von euch, die weiterhin an unsere gemeinsame Mission glauben." Es dürfte Zuckerberg dabei höchstens am Rande darum gegangen sein, die Menschen, die er hier so vertrauensvoll-kumpelig adressiert, um Verzeihung zu bitten. Er gibt sich, wie er sich jetzt geben muss: reumütig, demütig, Besserung gelobend.
Zuckerberg spricht von Vertrauen. Von Vertrauen, das die Facebook-Nutzer ihm mit ihrer Registrierung entgegenbrächten. Ein Vertrauen, das er jetzt bitter enttäuscht habe. Dabei dürfte es mit dem Vertrauen in die Sicherheit sozialer Netzwerke bei vielen längst nicht mehr weit her sein. Der Datenklau ist in seinem Ausmaß beängstigend, aber er überrascht nicht. Er passt ins Bild. War ja klar, so lautete der Tenor in sämtlichen Kommentarspalten.
Wer heute noch glaube, dass seine Daten sicher seien, sei grenzenlos naiv, heißt es da. Weiß man doch alles, ist doch allgemein bekannt. Der neueste Fall zerstört nicht das Vertrauen in die Gewissenhaftigkeit der Digitalkonzerne, er bestätigt einmal mehr das Misstrauen. Die scheinbar einzige Lösung: Account löschen, offline bleiben. Sicher ist sicher.
Account löschen, offline bleiben?
Einfach abmelden also? In einer Gesellschaft, die zu großen Teilen digital kommuniziert und in der die Kommunikation sich auf wenige große Plattformen konzentriert, geht das an der Wirklichkeit vorbei. Und es verschließt die Augen vor dem eigentlichen Problem: Es schiebt die Verantwortung dem Einzelnen zu. Selbst schuld, wer heute noch irgendetwas online preisgibt – so zu argumentieren, ist bequem, aber es prangert die Falschen an. Facebook und andere große Plattformen zu meiden, heißt, denen das Feld zu überlassen, die eigentlich die Verantwortung tragen. Die Nutzer müssen darauf pochen, dass sich etwas ändert. Und die Politik als ihre Vertreter muss dieser Wende den Weg ebnen.
Wenn der Datenskandal etwas Gutes hat, dann, dass er Aufmerksamkeit auf Sicherheitslücken lenkt, vor denen Datenschützer bislang vergeblich warnten. Justizministerin Katarina Barley versprach, sich zu kümmern. Das Machtgefälle zwischen großen Unternehmen und privaten Nutzern sei eine Bedrohung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sagte sie am Sonntag. Um es auszugleichen, müsse die Politik regulierend eingreifen. Jetzt ist es an Barley, ihren Worten Taten folgen zu lassen.
Die sozialen Netzwerke müssen dazu verpflichtet werden, die Nutzer besser darüber zu informieren, was mit ihren Daten passiert. Hilfsangebote wie aufpoppende Anleitungen, die demonstrieren, wie Informationen vor Personen aus der eigenen Freundesliste verborgen werden können, gehen nicht weit genug. Die Nutzer müssen wissen, wie sie sich vor den Netzwerken selbst schützen können.
Dabei sollten Transparenz und Nutzerfreundlichkeit Pflicht sein: Sicherheitseinstellungen sollten nicht erst mühevoll gesucht und am Ende verzweifelt ergoogelt werden müssen. Anwendungen sollten automatisch so eingestellt sein, dass keine Daten weitergegeben werden – es sei denn, der Nutzer stimmt ausdrücklich zu. Apps, bei denen auch auf die Informationen der Freunde des Nutzers zugegriffen wird, sollten verboten sein – weil sie sich der Kontrolle der Betroffenen entziehen. Es muss darum gehen, Umstände zu schaffen, die Vertrauen rechtfertigen.
Die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung, die ab Ende Mai zur Anwendung kommen soll, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Gehen die Digitalkonzerne nicht gewissenhaft mit den geteilten Informationen um, sollen sie hohe Strafen zahlen müssen. Das ist richtig. Weil es die Konzerne dazu zwingt, Veränderungen nicht nur in großem Stil anzukündigen, sondern auch wahr machen zu müssen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.