Das Gespräch am Montagnachmittag verlief „deutlich länger als anvisiert“, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) nach dem Treffen mit Richard Allan, dem Europa-Lobbyisten von Facebook, der Minuten zuvor mit anderen Facebook-Vertretern durch die Hintertür des Ministeriums verschwunden war. Es sei „konstruktiv gewesen“, so die Ministerin. Facebook habe Versäumnisse und Verstöße rund um den Datenskandal eingeräumt. Ein Fehler sei auch gewesen, die Nutzer nicht zu informieren, obwohl der Datenmissbrauch schon seit 2015 bekanntgewesen war.
Und nun liegen auch Zahlen vor. „Von den 300 000 Personen, die die App mit einer Psychologie-Umfrage heruntergeladen haben, sind etwa ein Prozent in Europa zu verorten“, sagte Barley. Davon auch „ein gewisser Prozentsatz in Deutschland“. Die genauen Zahlen würden in den kommenden Tagen geklärt, so die Ministerin. Über die 50 Millionen Nutzer, die über die Freundesliste der Profile ebenfalls betroffen seien, wisse man noch zu wenig, da bedürfe es noch weiterer Untersuchungen. „Facebook hat angekündigt, die Nutzerinnen und Nutzer, die davon betroffen sind, zu informieren“, erklärte Barley. Das Netzwerk habe zudem zugesichert, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholen dürfe.
„Versprechen sind jedoch nicht genug. Wir werden in Zukunft deutlich strenger Unternehmen wie Facebook überwachen, und Verstöße hart, schnell und empfindlich ahnden müssen“, betonte die Justizministerin. Dazu gehörten auch gut ausgestattete Datenschutzbehörden. Außerdem müssten Nutzer in klarer und einfacher Sprache über ihre Rechte informiert werden, um der Datenweitergabe „zuzustimmen oder zu widersprechen“. „Daten dürfen nur noch eingeholt werden, wenn Nutzer ausdrücklich zugestimmt haben“, sagte Barley.
Barley setzt dabei viel Hoffnung auf die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGV), die im Mai vollständig in Kraft tritt und die vor allem eines zum Ziel hat: Die Daten der Nutzer besser zu schützen. Ab dem 25. Mai können Unternehmen empfindliche Geldbußen bis zu vier Prozent des jährlichen weltweiten Umsatzes drohen. „Wir müssen die vorhandenen Rechtsmittel dann aber auch konsequent anwenden“, machte Barley deutlich.
"Wir müssen die vorhandenen Rechtsmittel konsequent anwenden"
Der Grünen-Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht hat die Verordnung als Verhandlungsführer über Jahre in Brüssel gestaltet und begleitet. Für ihn ist klar: Ab dem 25. Mai kann ein Datenskandal wie bei Facebook empfindliche Folgen für die Unternehmen haben. „Würde so ein Fall nach dem 25. Mai passieren, dann wäre die neue Verordnung sofort anwendbar – ganz gleich ob Facebook in den USA sitzt, denn es handelt sich um Daten, die den europäischen Markt betreffen“, sagte Albrecht dem WESER-KURIER. Facebook Irland sei zuständig für die EU, selbst wenn die Daten in die USA weitergeleitet würden. Auch wenn Cambridge Analytica die Daten aktuell noch besäße, greife die Datenschutzgrundverordnung.
Im aktuellen Facebook-Fall erkennt Albrecht gleich mehrere Rechtsverletzungen. Zum einen fehle die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten. „Es gibt offenbar keine Einwilligung der Nutzer, noch braucht Facebook diese Daten, um das Netzwerk für seine Anwender betreiben zu können. Selbst wenn eine Einwilligung vorliegen würde, müsste Facebook genau informieren, was das Netzwerk mit den Daten macht“, erklärte Albrecht.
Ein weiterer Rechtsbruch könne vorliegen, wenn die Daten noch immer nicht gelöscht worden seien. Dabei sei klar: „Es ist auch jetzt schon unter dem alten Recht nicht legal, was Facebook gemacht hat.“ Es sei Aufgabe der irischen Datenschutzbehörden, die Verletzung zu verfolgen. Nur seien die Strafen momentan nicht sehr hoch. „Das ändert sich nun durch die empfindlichen Sanktionen – und die Schadenersatzforderungen, die drohen können“, sagte der Europaabgeordnete.
Der Datenmissbrauch bei Facebook verunsichert viele Nutzer inzwischen so weit, dass sie sich entschließen, ihr Profil zu löschen. Ohne Einverständnis der Nutzer verschaffte sich die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica Zugang zu Facebook-Nutzerdaten, sie sollen unter anderem für den US-Wahlkampf missbraucht worden sein. Facebook machte das technisch überhaupt erst möglich. Hamburgs Justizminister Till Steffen schrieb am Sonntag auf seiner Facebook-Seite, dass er dem Netzwerk nicht mehr „das nötige Mindestmaß an Vertrauen entgegenbringen“ könne und sein Profil daher löschen werde. „In Hamburg sagt man Tschüss“, schrieb er. Steffen hat 2500 Freunde.