Mit Bus und Bahn unterwegs, ohne jemals einen Fahrschein kaufen zu müssen – das klingt nach einer charmanten Idee. Städte wie die estnische Metropole Tallinn haben mit einem Gratis-Angebot im öffentlichen Nahverkehr positive Erfahrungen gemacht. Autoverkehr und Abgas-Belastung gingen zurück, mehr Menschen aus dem Umland zogen in die Stadt. Ist das ein Modell auch für Deutschland, wie es die Bundesregierung nun nahelegt?
Schon heute leidet der öffentliche Nahverkehr in Ballungszentren unter chronischer Überlastung. Um ihn auszubauen, sind hohe Investitionen nötig. Gratisfahrten würden Menschen zum Umstieg bewegen, die heute eher zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren. Für Autofahrer hingegen dürfte oftmals weniger der Preis ausschlaggebend sein, wenn es darum geht, sich zwischen SUV und Straßenbahn zu entscheiden, sondern eher die Güte des angebotenen Service, ein gut ausgebautes Netz und Taktfrequenzen.
Doch gerade die Qualität könnte bei einer kompletten Steuerfinanzierung stark leiden. Ist es wirklich klug, Nahverkehrsunternehmen ihrer Einnahmen zu berauben und die Entscheidung über Investitionsspielräume gänzlich in die Hand von Finanzministern zu legen? Die sich dann beim nächsten Haushaltsloch munter am Verkehrsbudget bedienen? Die Gefahr wäre groß, dass niemand etwas davon hätte.