Cuxhaven. Sie war ein Weckruf – die Havarie der „Pallas“ im Oktober 1998. Bei schwerer See brach auf dem Holzfrachter südwestlich von Esbjerg ein Feuer aus. Tagelang trieb das Schiff vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, bis es schließlich unweit der Insel Amrum auf Grund lief. Chaos und ungeklärte Zuständigkeiten zwischen den beteiligten Sicherheitskräften und Behörden behinderten die Rettungsarbeiten. Schließlich kam es zur Umweltkatastrophe – fast 250 Tonnen gebunkertes Öl liefen in die Nordsee aus, Tausende Seevögel verendeten.
Konsequenz aus dem „Pallas“-Desaster war die Gründung eines deutschen Havariekommandos – das seit 2007 Partner des Maritimen Sicherheitszentrums des Bundes und der fünf Küstenländer in Cuxhaven ist. Und seitdem arbeiten alle am Seeverkehr beteiligten Behörden in einem gemeinsamen Lagezentrum zusammen. Zehn Jahre lang war es in einem Provisorium untergebracht, jetzt konnte das Zentrum einen mehr als 23 Millionen Euro teuren Neubau in Cuxhaven beziehen, den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag in Cuxhaven nach einem mehrmonatigen Probebetrieb nun auch offiziell eröffnete.
Es soll ein Vorzeigeprojekt sein. Die Einrichtung sei ein „Meilenstein, ein Maßstab für die maritime Sicherheit an Nord- und Ostsee“, sagte der Bauherr Dobrindt, der bei der Einweihung nicht mit Superlativen geizte. Es handle sich um eine „international einmalige Einrichtung“, die „sehr viele Nachahmer in anderen Regionen der Welt finden werde“. Cuxhaven sei gar „für die maritime Sicherheit, was Houston in Texas für die Raumfahrt ist – ein Koordinationszentrum von Weltrang“.
Das überschwängliche Lob des Ministers könnte damit zusammenhängen, dass es jahrelange Diskussionen und auch Streit gab um den Prestigebau an der Elbmündung. Lange war unklar, ob man nun eine ganz neue Behörde gründen sollte oder nur ein Netzwerk aufbauen, um die Kräfte der Behörden für die Sicherheit auf See zu bündeln. Schließlich entschied man sich für Letzteres – ein Experiment, denn eine so enge Zusammenarbeit verschiedenster Behörden ist im föderalen Deutschland keine Selbstverständlichkeit.
Auf vier Stockwerken arbeiten im neuen Maritimen Sicherheitszentrum insgesamt sieben Behörden des Bundes und der Küstenländer zusammen: die Bundespolizei mit dem Grenzschutz, der Zoll, der Fischereischutz, die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die Marine, die Wasserschutzpolizei aus den Ländern und das Havariekommando. Sie sollen bei der Überwachung der deutschen Seegewässer in Nord- und Ostsee alle an einem Strang ziehen und bei Schiffshavarien oder Umweltkatastrophen schnell die nötigen Bergungs- und Rettungseinsätze anstoßen können.
Etwa 60 Mitarbeiter sind in dem Neubau untergebracht. Rund um die Uhr werden hier die Seegewässer überwacht – mit moderner Kommunikationstechnik, die allerhöchsten Sicherheitsstandards genügen soll. Sowohl die Computertechnik als auch die Notstromversorgung sind im Maritimen Sicherheitszentrum doppelt eingebaut. Spezielle Sicherheitsschleusen und dickes Panzerglas sollen vor Terrorangriffen schützen.
„Wenn eine Atombombe auf Deutschland fällt – dieses Ding läuft immer noch“, sagte der CDU-Staatssekretär Enak Ferlemann bei der Einweihung in Cuxhaven. Allerdings ist der Aufwand für die Sicherheit so hoch, dass so mancher an der Küste schon infrage gestellt hat, ob Kosten und Nutzen noch in einem vertretbaren Verhältnis stehen.
Die Aufgaben des Sicherheitszentrums sind vielfältig: Nicht nur geht es um die Koordination von Bergungs- und Rettungseinsätzen auf einer der viel befahrensten Wasserstraßen der Welt. Zoll, Bundespolizei und Fischereischutz sichern mehrere Hundert Kilometer Seegrenze ab, kontrollieren Fangquoten und den Warenverkehr auf See. Weltweit können Schiffe unter deutscher Flagge Notrufe an das Zentrum absetzen, wenn sie etwa von Piraten überfallen werden.
„Wir sind gut beraten, die maritime Sicherheit nicht nach Bundesländern zu organisieren – diese Lösung ist kostengünstiger und effektiver“, sagte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der in Cuxhaven zu den insgesamt elf Unterzeichnern der Gründungsvereinbarung gehörte, dem WESER-KURIER. Bremen ist mit drei Beamten seiner Wasserschutzpolizei am Sicherheitszentrum beteiligt – und das einzige Bundesland, das hierfür eigene feste Stellen bereitstellt.
Eine vergleichbare Ausstattung mit modernster Technik gebe es „in keinem anderen Lagezentrum in Deutschland“, sagte Gerhard Schulze, Leiter der Bremer Wasserschutzpolizei. Mit drei Schiffen, die in Bremerhaven und in Bremen liegen, ist die Landespolizei an das Maritime Sicherheitszentrum angeschlossen. So halfen die Kollegen aus der Seestadt beispielsweise mit der Sicherung des Schiffsverkehrs aus, als auf der Elbe ein Bauteil von einem Ponton fiel, die Hamburger Polizei jedoch keine verfügbaren Kräfte hatte.
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) gehört als private, spendenfinanzierte Einrichtung nicht zu den Partnern des Maritimen Sicherheitszentrums. Die Seenotretter haben ihre eigene Einsatzzentrale. Allerdings stehe man bei der Koordination von Rettungseinsätzen in engem Kontakt mit der DGzRS, und die Zusammenarbeit auf See funktioniere ohnehin „hervorragend“, sagte Schulze.
Verkehrsminister Dobrindt kündigte in Cuxhaven weitere Investitionen des Bundes für das Maritime Sicherheitszentrum an. „Als starke Schifffahrtsnation haben wir eine besondere Verantwortung dafür, die Voraussetzungen für die Mobilität auf dem Wasser zu schaffen“, sagte der CSU-Politiker. „Und deswegen müssen wir auch bei der maritimen Sicherheit eine Spitzenstellung einnehmen.“ Weitere 18 Millionen Euro für ein neues Flugzeug sind eingeplant, außerdem jährlich 3,5 Millionen Euro für drei Hubschrauber. Zudem sei eine „nationale Datenplattform“ für den Austausch mit internationalen Partnern in Arbeit.