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Rente in Deutschland Altersarmut bleibt ein Problem

Die Angst vor Armut im Alter ist real: Millionen Rentner in Deutschland sind betroffen. Eine grundlegende Reform des Rentensystems wird immer notwendiger, meint Benjamin Lassiwe.
05.12.2024, 05:00 Uhr
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Von Benjamin Lassiwe

„Die Rente ist sicher“, sagte Norbert Blüm. Schon 1987, bei der Rentenreform im Bundestag, brachte dieser Satz etwas zum Ausdruck, was bis heute eine Urangst der Menschen ist: Die Furcht vor Armut im Alter. Die Angst vor Abhängigkeiten, vor der Aufgabe eines selbstbestimmten Lebens. Die Studie „Die Ängste der Deutschen“, die die R+V-Versicherungen vor Kurzem in Berlin vorstellten, geht in dieselbe Richtung: Rund 40 Prozent der Menschen hierzulande fürchten, ihren Lebensstandard nicht mehr halten zu können.

Im Osten gilt das für noch etwas mehr Menschen als im Westen. Die Statistiken geben den Ängstlichen dabei recht: 21 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Menschen ab 65 sind armutsgefährdet. Und erst kürzlich teilte das Statistische Bundesamt mit: 2023 waren in Deutschland rund 3,2 Millionen Menschen von Altersarmut bedroht – eine gute Million mehr als noch vor zehn Jahren. Und mehr als 680.000 Menschen bezogen im Alter Grundsicherung vom Staat – denn die eigene Rente reichte nicht zu ihrem Überleben.

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Und nach wie vor ist die Altersarmut vor allem weiblich. Nach wie vor sind es vor allem Frauen, die wegen der Kindererziehung nur Teilzeit arbeiten konnten oder irgendwann zur Hausfrau wurden, die im Alter eine schlechte Rente kriegen. Doch Care-Arbeit, also beispielsweise die Sorge für Kinder oder pflegebedürftige Familienangehörige, ist in unserer Gesellschaft noch immer nicht hinreichend anerkannt. Zwar gibt es einige, wenige Rentenpunkte für die Kindererziehung. Aber die damit verlorenen Rentenbeiträge gleichen diese nicht aus. Und mittlerweile gilt ohnehin: Mit der staatlichen Rente allein wird man kaum noch auskommen können. Wer eine gebrochene Berufsbiografie hat, wie viele Einwohner Ostdeutschlands, die 1990 zunächst einmal arbeitslos wurden und dann lange keine neue Stelle fanden, hat sowieso schon schlechte Karten. Die Angst vor Altersarmut und sozialem Abstieg zeigt sich dort ganz praktisch in den Wahlerfolgen von AfD und BSW.

Es wäre deswegen wichtig, das Rentensystem grundlegend zu reformieren. Und zwar so, dass niemand mehr durch das System fallen kann: Auch wer einen Minijob hat oder nebenberuflich einige Stunden arbeitet, sollte Rentenansprüche aufbauen können. Auch wer als Soloselbstständiger unterwegs ist, freiberuflich tätig ist oder ein Ein-Mann-Unternehmen hat, sollte in die Rentenkasse einzahlen müssen, um im Alter böse Überraschungen zu vermeiden.

Und wenn Renten nur sehr gering ausfallen, sollten diese nicht mit der Grundsicherung im Alter verrechnet werden – schon, damit auch Menschen mit nur geringem Einkommen einen Anreiz haben, Rentenansprüche aufzubauen. Wichtig wäre es aber auch, noch besser und umfangreicher über Hilfsmöglichkeiten aufzuklären. Gerade in der Generation, die in den Nachkriegsjahren geboren wurde oder gar den Wiederaufbau der jungen Bundesrepublik aktiv mitgestaltet hat, gilt es als verpönt, Hilfsangebote anzunehmen. Bevor man „zum Amt“ geht, versucht man lieber selbst, irgendwie durchzukommen, auch wenn es eigentlich schon lange nicht mehr geht.

Das ist ein Phänomen, das vor allem im ländlichen Raum immer wieder wahrnehmbar ist. Hier braucht es mehr Sensibilität, mehr soziale Angebote und mehr Unterstützung für Senioren, die am Ende ihres Lebens am Existenzminimum leben. Denn in den Dörfern kennt jeder jeden, weiß von jedem – und die Schamgrenze, die notwendige staatliche Hilfe anzunehmen, ist dort noch einmal deutlich erhöht. Zumal viele Menschen, und gerade die Älteren, auch mit der Komplexität von Antragsformularen und der gediegenen deutschen Sozialbürokratie hoffnungslos überfordert sind.

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Es muss daher eine Aufgabe der nächsten Bundesregierung werden, einfache, schnelle und wirksame Hilfsangebote für Menschen im Alter zu entwickeln. Wer sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, darf im Alter ebenso wenig im Existenzminimum landen, wie Menschen, deren Berufsbiografien etwa durch Firmenpleiten nach der Wiedervereinigung zerbrochen wurden.

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