Deutschland hat eine dichte Kliniklandschaft: Etwa 1.900 Krankenhäuser sind zwischen Flensburg und Passau in Betrieb. Während in einigen ländlichen Regionen Versorgungslücken zu verzeichnen sind, gibt es in großen Städten ein Überangebot. Aber überall fehlt es an Personal, Betten stehen leer, die Auslastungsquote liegt bei nur 68 Prozent. Die Kosten steigen trotzdem weiter.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erwartet im laufenden Jahr ein Defizit der Kliniken von sechs Milliarden Euro. Etwa 30 Prozent der Kliniken schreiben rote Zahlen, sind mittelfristig von Insolvenz bedroht. Aus diesem Grund befürchtet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein ungeordnetes Kliniksterben und will dem mit seiner Krankenhausreform entgegenwirken.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kämpft um seine Reform
Kernstück ist ein neues Finanzierungssystem. Fallpauschalen sollen nur noch 40 Prozent der Vergütung ausmachen. Die restlichen 60 Prozent sollen die Kliniken für das Vorhalten von Leistungen bekommen. Um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen, sieht die Reform vor, dass dort zusätzlich jährliche Förderbeträge gezahlt werden. Stadtstaaten wie Bremen und benachbarte Flächenländer wie Niedersachsen sollen nach Auffassung von Lauterbach gemeinsam über die Struktur der regionalen Kliniklandschaft entscheiden. "Aktuell sind die Planungen für die künftigen Versorgungsschwerpunkte länderintern noch nicht abgeschlossen", heißt es dazu aus dem Bremer Gesundheitsressort.
Die Reform wurde im Oktober vom Bundestag bereits beschlossen, mehrere Länder haben ihren Widerstand angekündigt. Insbesondere Bayern macht mächtig Stimmung gegen die Reform. Lauterbach hingegen versuchte bis zur letzten Minute, in Gesprächen mit Ländervertretern eine Zustimmung am heutigen Freitag zu erreichen. "Die Chancen stehen fifty-fifty", sagte ein Bundesrat-Insider vor den üblichen Vorgesprächen. Am Ende könnte es daran hängen, wie die Länder stimmen, in denen Grüne oder die SPD mit der CDU in der Landesregierung sitzen wie Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen. Enthalten sich diese Länder, wie es bei unterschiedlichen politischen Konstellationen zwischen Land und Bund üblich wäre, dann könnte Lauterbachs Reform den Bundesrat passieren.
Sollte die Länderkammer aber den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen, dürfte es das Aus für das Großprojekt bedeuten, weil Bundesrat und Bundestag einem veränderten Gesetzentwurf noch einmal zustimmen müssten. Das wird vor den Bundestagswahlen kaum möglich sein, weil Rot-Grün keine Mehrheit hat und die Union erneut gegen die Reform stimmen will.

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard will vor dem Bundesrat sprechen.
"Sollte es der Bundesrat beschließen, den Vermittlungsausschuss anzurufen, stehen zusätzliche Einnahmen für die Krankenhäuser in 2025 auf der Kippe, etwa die Refinanzierung der Tarifsteigerungen für alle Berufsgruppen in 2024 und 2025 oder die höheren Zuschläge zum Beispiel für die Geburtshilfe, die Kinderheilkunde, die Notfallversorgung oder die Intensivmedizin", macht die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard deutlich. Auch der Strukturfonds für Investitionskosten stünde dann voraussichtlich nicht zur Verfügung. Sie wird sich daher an diesem Freitag in die Debatte im Bundesrat einschalten.
Zur Sache: Gesetze müssen neu auf den Weg gebracht werden
Hinter dem sperrigen Begriff „Diskontinuitätsprinzip“ verbirgt sich die Tatsache, dass sich mit der Auflösung des Bundestages alle bis dahin nicht verabschiedeten Gesetzentwürfe automatisch erledigt haben. Die gewählten Bundestagsabgeordneten erhalten nämlich ihre Legitimation, Gesetze zu verabschieden, nur auf Zeit. Sie endet automatisch mit einer neuen Bundestagswahl. Auch für wiedergewählte Abgeordnete beginnt diese Berechtigung erst wieder mit der konstituierenden Sitzung eines neuen Bundestags. Für den neuen Bundestag bestehen keine Verpflichtungen gegenüber seinem Vorgänger. Deshalb müssen alle Gesetze, die nicht fertig geworden sind, wieder von vorne auf den Weg gebracht werden. Damit soll unter anderem gewährleistet werden, dass erstmals gewählte Abgeordnete den jeweiligen Gesetzgebungsprozess von Beginn an mitgestalten können. Diese Regel gilt nicht während der laufenden Legislaturperiode eines Bundestags, wenn durch Mandatsniederlegungen oder Todesfälle Abgeordnete nachrücken sollten.
Digitalpakt II:
Eigentlich waren sich Bund und Länder einig: Der Digitalpakt Schule von 2019 bis 2024 war eine Erfolgsgeschichte, die fortgesetzt werden sollte. Von dem Geld wurden unter anderem Tablet-Computer für die Schüler und Lizenzen für Lernprogramme angeschafft und die Internet-Infrastruktur in den Schulen ausgebaut. Auch in Bremen, das von den insgesamt fünf Milliarden Euro etwa 50 Millionen Euro aus Bundesmitteln zusätzlich investieren konnte.
Allerdings sind sich die ehemalige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern schon vor dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition nicht einig geworden, wie hoch die Förderung in Zukunft ausfallen solle. Das letzte Angebot des Bundes lag bei 2,5 Milliarden Euro. Diese Summe sollten die Länder ihrerseits ebenfalls zusätzlich bereitstellen. Nun besteht die Gefahr, dass ab Januar 2025 kein zusätzliches Geld in die Schulen fließt. Das könnte in Bremen zur Folge haben, dass unter Umständen Lizenzen für Lernprogramme nicht verlängert werden.
Kindergrundsicherung
Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampelkoalition darauf verständigt, den Zugang zu staatlichen Leistungen für Familien zu vereinfachen. Eine Kindergrundsicherung sollte schon ab dem Jahr 2025 das Kindergeld ablösen. Es war geplant, darin Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag zu bündeln. Zudem sollte die Antragsstellung unkomplizierter gemacht und Familien aktiv darauf hingewiesen werden, welche Leistungen ihnen zustehen. Doch schon der erste Gesetzesentwurf wurde vom Bundesrat kassiert und zur Überarbeitung geschickt.
Auf Kritik stieß insbesondere die Forderung von Bundesfamilienministerin Lisa Paus, mehrere Tausend Stellen dafür innerhalb der Bundesagentur für Arbeit zu schaffen. Ein Vorhaben, das Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon zuvor zunichtemachte. Zwar befindet sich die Kindergrundsicherung weiterhin im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren, doch der Gesetzentwurf dürfte spätestens nach der Wahl in der Schublade verschwinden, da die Union schon angekündigt hat, das Konzept nicht mitzutragen.
Rentenpaket
Zwar hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, um das Rentenpaket II kämpfen zu wollen, das er noch mit der FDP durchs Kabinett gebracht hat, doch die Union hat Widerstand angekündigt. Heil will die Bezüge künftiger Rentner mit Milliardensummen bei etwa 48 Prozent vom Durchschnittslohn absichern. Die Rentenbeiträge könnten dafür von derzeit 18,6 Prozent mittelfristig auf 22,3 Prozent steigen.
Um den Anstieg der Beiträge zu mildern, hat die FDP in der Koalition durchgesetzt, dass Staatsgeld auf dem Aktienmarkt angelegt werden soll. Diesen Einstieg in das „Generationenkapital“ hätte zumindest FDP-Fraktionschef Christian Dürr gerne noch mit SPD und Grünen gemeinsam durchgesetzt.
Die Union hält wenig von diesen Konstruktionen und hat bereits eigene Rentenpläne skizziert. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte es Ende September eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig.
Die Umsetzungswahrscheinlichkeit des Rentenpakets II scheint daher gering.
Wehrerfassung
Am Morgen vor dem Ampel-Aus hatte das Bundeskabinett noch den Gesetzentwurf für die Einführung eines neuen Wehrdienstes in Deutschland zugestimmt. Der Plan des SPD-Verteidigungsministers Boris Pistorius sah vor, dass alle jungen Männer, die vom kommenden Jahr an 18 Jahre alt werden, in einem digitalen Fragebogen Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst geben müssen. Junge Frauen können dies machen. Pistorius hatte zunächst auf einen freiwilligen Dienst gesetzt, weil eine Wehrpflicht mit der FDP nicht umzusetzen war.
Die CDU/CSU hat bereits ihre Ablehnung des Gesetzentwurfs angekündigt. Sie möchte gleich zurück zum Wehrdienst, der 2011 ausgesetzt wurde. Pistorius hält das allerdings für organisatorisch nicht möglich: „Die Union sollte lieber der Öffentlichkeit erklären, wo die Bundeswehr im Falle einer umfassenden Wehrpflicht jedes Jahr einen Jahrgang junger Rekruten unterbringen, ausstatten und ausbilden soll. Wir reden hier von mehr als 100.000 jungen Männern“, betonte der Minister.
Wachstumsinitiative
Priorität haben derzeit für die Bundesregierung noch die Maßnahmen der Wachstumsinitiative. Dazu gehört unter anderem der Abbau der kalten Progression. So nennt man es, wenn Bürger durch den steigenden Steuertarif mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. FDP-Parteichef Christian Lindner signalisierte, einem Ausgleich der kalten Progression zuzustimmen.
Zusätzlich soll das Kindergeld um fünf Euro erhöht werden. Zudem hatte die Ampel-Koalition noch höhere Freibeträge bei der Einkommenssteuer und eine Abschaffung der Steuerklassen III und V für Verheiratete geplant, die in eine neue Steuerklasse IV überführt werden soll. Dagegen hat sich die Union ausgesprochen. Auch die CDU will das Kindergeld erhöhen und die kalte Progression bekämpfen, das Thema aber noch nicht vor den Bundestagswahlen anpacken. „Das kann man auch rückwirkend für das Jahr 2025 machen“, heißt es in der Fraktion. Das bedeutet, die Bürger werden erst spät im kommenden Jahr oder mit der Einkommensteuererklärung in 2026 entlastet.
Verfassungsgericht, Deutschland-Ticket und Bundeswehr
Zwar hat die Union angekündigt, erst nach der Abstimmung über die Vertrauensfrage mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über noch zu verabschiedenden Gesetze sprechen zu wollen, doch in einigen Punkten wird bereits vorab Zustimmung signalisiert. So zum Beispiel soll das Bundesverfassungsgericht stärker vor dem Zugriff von extremen Parteien geschützt werden. SPD, FDP, Grüne und Union haben sich darauf geeinigt, wesentliche Strukturmerkmale des Gerichts wie beide Senate und 16 Richter im Grundgesetz festschreiben zu wollen.
Ferner wollen diese Parteien eine zwölfjährige Amtszeit der Richter und den Ausschluss einer Wiederwahl sowie die Altersgrenze der Richter von 68 Jahren in der Verfassung verankern. Damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts nie gefährdet ist, soll festgelegt werden, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.
Weiter haben sich die Parteien bereits für 2025 auf die Finanzierung des Deutschlandtickets geeinigt. Das derzeit noch 49 Euro teure Abo wird von 13 Millionen Kunden genutzt, ist damit ein Erfolg, sorgt aber für Einnahmeausfälle bei Verkehrsunternehmen, weil es günstiger ist als alte Tarife. Um die Ausfälle auszugleichen, finanzieren Bund und Länder das Ticket mit jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Offen ist, wie eine drohende Finanzierungslücke geschlossen werden soll. Dabei geht es darum, dass nicht genutzte Restmittel in Höhe von 700 Millionen Euro vor allem aus dem Jahr 2023 genutzt werden. CSU-Chef Markus Söder hatte mit Blick auf die schlechte Wirtschaftslage gesagt, auf Dauer könne das Ticket kaum gehalten werden. Bayerns Ministerpräsident machte deutlich, die Zukunft des Tickets sei direkt gekoppelt an eine einer vollständigen Finanzierung durch den Bund.
Die Union werde auch vorliegende Beschaffungsvorlagen für die Bundeswehr mittragen, kündigte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bereits an. Bei den Ukraine-Hilfen seien derzeit keine zusätzlichen Mittel notwendig. Sollte sich dies anders darstellen, sei man bereit, über solche Fragen zu reden. Es gehe derzeit aber eher um Waffenlieferungen.