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Generalsekretär tritt zurück Die FDP hat die Deutungshoheit über das Ampel-Aus verloren

Konsequenz nach dem Scheitern der Ampel und der Diskussion um interne Papiere: Generalsekretär Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Reymann sind zurücktreten. Eine notwendige Entscheidung, meint Markus Peters.
29.11.2024, 20:51 Uhr
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Die FDP hat die Deutungshoheit über das Ampel-Aus verloren
Von Markus Peters

Nur 45 Sekunden benötigte der bisherige FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, um seine Rücktrittserklärung in der Berliner Parteizentrale vorzutragen. Genauso schnell, wie der Politiker im Hans-Dietrich-Genscher-Haus erschienen war, verschwand er auch wieder, ohne auch nur eine einzige Frage zu beantworten. Kurze Zeit später reichte die Partei die Trennung von Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann nach. Damit hat das sogenannte D-Day-Papier, in dem das Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen vorab beschrieben war, die ersten beiden Bauernopfer gekostet.

Bei aller berechtigten Kritik an der Wortwahl der Partei, die mit dem Begriff tatsächlich das Ampel-Aus und die Landung der Alliierten in der Normandie in einen Zusammenhang stellte: Das ist eine Stilfrage und taugt bestenfalls als Beleg für die Selbstüberschätzung, die die Parteispitze um Christian Lindner nicht nur in dieser Frage an den Tag legt.

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Entscheidend für die Rücktritte war eher, dass Djir-Sarai und auch andere FDP-Spitzenpolitiker als Reaktion auf die Berichterstattung mehrerer Medien zur Vorbereitung auf den Ampel-Ausstieg die Unwahrheit gesagt und die Existenz entsprechender Papiere geleugnet hatten. Allerdings stellt sich die Frage, warum die FDP ihre strategischen Überlegungen überhaupt abgestritten hatte. Es wäre doch unprofessionell gewesen, solche Szenarien nicht mitzudenken.

Darüber hinaus war der Ablauf des Bruches für alle Beobachter offensichtlich. Spätestens mit dem fünf Tage vor dem entscheidenden Koalitionsausschuss verschickten Wirtschaftswende-Papier, das in weiten Teilen gegen den verabredeten Koalitionsvertrag verstieß, hatte Lindner die Sollbruchstellen bereits markiert. Entscheidende Zugeständnisse hätte der damalige Finanzminister nur erreichen können, wenn er selbst bereit gewesen wäre, seine fest zementierte Position bei der Schuldenbremse zu lockern.

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Insofern war die Empörung der Liberalen über die vorbereitete und vom Teleprompter abgelesene Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Ampel-Aus scheinheilig. Dass sich auch SPD und Grüne auf eine Aufkündigung der Koalition durch die FDP vorbereitet hatten, konnte ernsthaft keine Überraschung für die Liberalen sein. Umso erstaunlicher war es dann auch, dass Parteichef Christian Lindner am Tag nach dem Ampel-Aus nahezu weinerlich erklärte, vom Bundeskanzler auf die Straße gesetzt worden zu sein.

Was Lindner wirklich getroffen haben muss, ist die Tatsache, dass Scholz am fraglichen Abend tatsächlich das Heft des Handelns in die Hand nahm. Nachdem noch während der Sitzung eine große Boulevardzeitung meldete, dass Lindner Scholz Neuwahlen angeboten hatte, riss auch beim sonst eher zögerlichen Kanzler der Geduldsfaden. Er feuerte seinen Finanzminister. Wer die Nachricht über das Neuwahlangebot aus der Sitzung durchgestochen haben könnte, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben. Es gilt allerdings als wenig wahrscheinlich, dass der Informant ein rotes oder grünes Parteibuch besitzt.

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Dennoch ist der FDP die – in dem vorab erarbeiteten Strategiepapier angestrebte – Deutungshoheit über das Ampel-Aus abhanden gekommen. Statt den Rücken gerade zu machen und die angestrebten wirtschaftspolitischen Schritte angesichts der gegenwärtigen Konjunkturkrise offensiv zu vertreten, verlor sich Lindner in so akademischen wie unsinnigen Diskussionen über die Frage, ob eine Aufweichung der Schuldenbremse gegen den Amtseid des Ministers verstoßen hätte. Klare Antwort: Hätte sie nicht, weil entsprechende Ausnahmetatbestände im Gesetz eigens verankert sind.

Dass der Parteichef Christian Lindner von der Präsentation tatsächlich nichts gewusst hat, wie er am Nachmittag in Berlin noch mal betonte, ist möglich, aber wenig wahrscheinlich. Schließlich enthält das Dokument sogar eine geplante erste Stellungnahme. Fest steht aber, dass der FDP der Start in den vorgezogenen Bundestagswahlkampf, in dem sie um ihr parlamentarisches Überleben kämpfen muss, gründlich misslungen ist.

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