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Migrationsdebatte Kirchen auf Distanz zu Merz

Die großen Kirchen distanzieren sich von Merz' Migrationsanträgen. Sie kritisieren den Ton und den Zeitpunkt der Debatte. Sie warnen vor einem Schaden für die Demokratie.
29.01.2025, 17:35 Uhr
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Von Benjamin Lassiwe

Gemeinsam Feiern kann man noch: Wenn in Deutschland ein Kirchen- oder Katholikentag stattfindet, wenn die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tagt, gibt es abends einen Empfang der CDU. Und wenn die Unionsparteien einen Parteitag abhalten oder sich ihre Fraktionsvorsitzenden treffen, gibt es zu Beginn ein „Geistliches Wort“ oder gar einen Gottesdienst. Demonstrativ gezeigte Christlichkeit gehört in der CDU noch immer zum guten Ton.

Doch damit könnte es bald vorbei sein: Kurz bevor Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Dienstag seine Anträge zur Migration in den Deutschen Bundestag einbrachte, gingen die beiden großen Kirchen auf größtmögliche Distanz: In einem Schreiben, das von den beiden Berliner Büros der großen Kirchen verfasst und den Prälaten Anne Gidion und Karl Jüsten unterzeichnet wurde, betonen beide Geistlichen, dass sie „Zeitpunkt und Tonlage der Debatte“ zutiefst befremden. „Sie ist dazu geeignet, alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren und trägt unserer Meinung nach nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei“, heißt es in dem Schreiben. „Die nun vorgeschlagenen Verschärfungen sind nicht zielführend, vergleichbare Taten zu verhindern und tragfähige Antworten auf das öffentliche Sicherheitsbedürfnis zu geben.“

Deutlicher geht es kaum. Zudem warnen Gidion und Jüsten vor einem massiven Schaden für die Demokratie in Deutschland, wenn das politische Versprechen, keine Abstimmungen mit den Stimmen der AfD herbeizuführen, aufgegeben werde.

In den sozialen Medien wird das Schreiben der beiden Kirchenvertreter mittlerweile von Bischöfen, Pastoren und engagierten Laien tausendfach geteilt. Der Imageschaden, den die CDU deswegen in der ohnehin eher den Sozialdemokraten und den Grünen zuneigenden kirchlichen Szene hat, dürfte schon jetzt enorm sein.

Die Veröffentlichung sorgte innerhalb der katholischen Bischofskonferenz für Irritation. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer distanzierte sich der Zeitschrift "Communio" zufolge von der Erklärung: Er sei "verärgert" darüber. Die Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, erklärte in einem Schreiben an die Bischöfe, dass das Vorgehen "in dieser Schrittfolge nicht mit dem Sekretariat abgestimmt" gewesen sei.

Besonders beachtet werden wird in den Kirchen indes mit Sicherheit das Abstimmverhalten einiger prominenter, in den Kirchen als „hochverbunden“ geltender Unionspolitiker: Der frühere Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) etwa ist nicht nur Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU: Er gehört auch dem Rat der EKD, dem höchsten Leitungsgremium der deutschen Protestanten, an. Der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe ist Mitglied der EKD-Synode. Und die Berliner Bundestagsabgeordnete Monika Grütters ist Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Zumindest diese drei Abgeordneten dürften die Kirchen mit ihrem Brief vor schwere Entscheidungen gestellt haben.

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