Margarete Stokowski spricht leise. Aber ihr erster Satz knallt trotzdem. „Ich bin hier heute das Abschreckungsbeispiel für Long Covid.“ Und der zweite kracht gleich noch mal. „Ich bin Autorin – das heißt: Ich war es vorher.“
Neben Stokowski sitzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er ist in die Bundespressekonferenz gekommen, um die neue Covid-Kampagne der Bundesregierung vorzustellen. Motto: "Ich schütze mich". Sie solle, sagt Lauterbach, mehr als ein Impfaufruf sein. Und, das vor allem: „Keine Angst-Kampagne.“
Menschen erzählen, wie sie sich vor Coviderkrankung schützen
Im Radio und im Fernsehen, auf digitalen Plakaten und in den sozialen Netzwerken erzählen seit Freitag 84 Menschen, wie sie sich vor dem Coronavirus schützen. Und warum. Keine Promis, wie sein Vorgänger Jens Spahn sie wählte. „Alle aus der Mitte der Gesellschaft. Jeder Mensch ist echt. Und niemand hat Geld bekommen - außer einer kleinen Kostenpauschale fürs Taxi und so. 100 Euro.“ 84 Menschen - weil jeder für eine der 84 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner der Republik stehen soll.
Lauterbach, das ist bekannt, rechnet in Sachen Covid eher mit dem Schlimmen. Nicht alle Experten teilen das. Und er selbst weiß: Vielen, die das Virus und die Pandemie längst satt haben, geht er damit auf die Nerven. Aber im Mahnen ist er unentwegt – auch diesmal. Er warnt vor der „Welle, die wir vor uns haben“. Und appelliert an die Länder, die für den Infektionsschutz zuständig sind, wegen der steigenden Infektionszahlen die Maskenpflicht zu verordnen. „Lieber jetzt mit geringen Einschränkungen arbeiten“, sagt er, „als später mit starken“.
Die spürt Margarete Stokowski täglich. „Ich bin halbwegs auf dem Weg der Besserung. Aber es gibt immer noch viele Tage, wo ich einfach nur im Bett liegen kann.“ Vor 264 Tagen habe sie sich infiziert, „einigermaßen milder Verlauf – aber ich wurde danach einfach nicht mehr gesund“.
Von Lauterbach fordert sie, zusammengenommen, er möge sich um mehr Aufklärung und mehr Forschung zu den Langzeitfolgen der Infektion kümmern. Auch um mehr und bessere Behandlungsmöglichkeiten. Und außerdem verhindern, dass die Krankenkassen Long-Covid-Erkrankte nur als Kostenfaktor sähen und versuchten, sie abzuschieben zur Rentenversicherung. Der Minister sagt, er kenne das Problem. „Und wir arbeiten daran, etwas hinzukriegen.“ Denn Studien sagten: Fünf bis zehn Prozent der Covid-Erkrankten hätten mit Langzeitfolgen zu tun, „zum Teil noch nach einem halben, einem ganzen Jahr“.
Long Covid trotz Impfung
Die Impfung hält Lauterbach immer noch für den besten Schutz vor schwerem Krankheitsverlauf. Und vor Long Covid. Um 50 Prozent senke sie laut Studien das Risiko. Stokowski ist dennoch erkrankt – sagt aber: „Ich weiß nicht, wie es mir gegangen wäre, wäre ich nicht geimpft gewesen.“
Als Lauterbach sagen soll, warum er – der seine Nächte mit dem Studium von Studien verbringt – nun eigentlich statt mit Daten „mit Anekdoten“ für Maskentragen und Impfungen wirbt, antwortet er: „Kommunikationspsychologie“. Und: „Das sind Menschen, die das tausendmal besser vortragen können als ich je mit meinen nächtlich evaluierten Studien.“