Ob Bahn, Post oder, Pardon, echte Behörden – es gibt immer wieder Anlass, sich zu beklagen. Ein großer Teil der Beschwerden dreht sich weniger um die Art der Leistungen als um die Dauer. Den meisten Unmut zieht sich die Bahn wegen allgemeiner Unzuverlässigkeit zu.
Bei der Post kommen Sendungen aller Art mit Verzögerung an. In diesem Jahr habe die Bundesnetzagentur mehr als 37.000 Beschwerden über Brief- und Paketdienstleistungen registriert. Das seien mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr, berichtet der „Spiegel“ dieser Tage.
„Eine Lösung ihrer Probleme erhofft sich die Post vom Staat. Der Bund solle sich überlegen, ob Vorgaben wie jene Regel noch zeitgemäß seien, nach der 80 Prozent der Briefe am nächsten Tag nach Kastenleerung ankommen müssten“, zitiert das Magazin Konzernchef Frank Appel. Dann könne man auch „auf den klimaschädlichen Brieftransport per Flugzeug verzichten“. Ihn nutze die Post auf langen Strecken innerhalb Deutschland, um die mit der Bundesnetzagentur vereinbarten Ziele einzuhalten.
Das ist doch die Höhe. Tatsächlich? Ist es die Höhe, wenn mehr Briefe länger brauchen, oder sind es buchstäblich die Ansprüche? Unbestritten ist wohl, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen, wenn nicht explodiert sind. Beispiel Deutsche Bahn: Wie kann man auf der Idee kommen, dass man ihr in den Regionalzügen innerhalb weniger Tage Zehntausende zusätzliche Passagiere beschert und alles weiterhin wie am Schnürchen läuft? Oder: Wer am 23. Dezember mit seinem Weihnachtsgeschenk am Postschalter steht, kann nicht erwarten, dass das Paket Heiligabend unterm Baum liegt. Es sei denn, er glaubt an den Weihnachtsmann samt Schlitten oder zahlt für den Extra-Service.
In Behörden geht vieles, sofern man genügend Zeit mitbringt. Das kann ein großes Ärgernis sein, wie bei Baugenehmigung, oder gar existenziell bedrohlich, wie bei Wohn- oder Elterngeldanträgen. Aber nicht immer: Wer derzeit einen Termin im Bürgerservicecenter in Bremen-Mitte bekommen will, muss sich bis Ende März gedulden. Das ist lang, keine Frage, zu lang. Aber das Amt, ganz Vater Staat, verschickt eigens Erinnerungsmails, um an das Ablaufdatum von Ausweisen zu erinnern.
Welche Leistungen kann man vom Staat erwarten? In welcher Zeit? Vor wenigen Tagen hat der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine grundlegende Staatsreform gefordert, um das Gemeinwesen effizienter zu machen. Der Staat sei „durch perfektionistische Überregulierung ähnlich dem gefesselten Riesen Gulliver in zu vielem fast schon handlungsunfähig geworden“, sagte der Christdemokrat. Schäuble ist Rekordhalter. Wer wollte ihm da widersprechen?
Schäuble wurde am Donnerstag für 50 Jahre Mitgliedschaft im Bundestag geehrt. Er konnte im Laufe der Jahre dabei zusehen, wie sich die Verwaltung nach und nach aufgebläht hat, inhaltlich und personell, erzwungen durch Datenschutz-, Gleichstellungs- oder EU-Auflagen, Nachweise zu Nachhaltigkeit oder zur sogenannten Lieferkettensorgfaltspflicht.
Schäuble hat auch mehrere Anläufe zum Bürokratieabbau erlebt. Im Bundesjustizministerium existiert ein Referat „Bessere Rechtsetzung, Bürokratieabbau“. Das „Handelsblatt“ berichtet: „1778 Bundesgesetze und 2821 Bundesverordnungen sind derzeit in Kraft. Viele davon sind notwendig, andere rauben Bürgern und Betrieben vor allem Zeit, Nerven – und Geld.“ Wie viele wären es, wenn es kein Referat gäbe? Die Bilanz des nationalen Normenkontrollrats, der den Bürokratieabbau überwachen soll, hat sich laut „Wirtschaftswoche“ in den vergangenen Jahren trotzdem nicht großartig verändert: „zu analog, zu langsam, zu teuer“.
Das eine sind bürokratische Monster made in Germany. Das andere sind die Bürger. Muss Post wirklich am nächsten Tag beim Empfänger ankommen, nur weil ein bekannter Internet-Großhändler seine ungeduldige Kundschaft damit ködert? Oder geht es auch eine Nummer kleiner? Beziehungsweise eine größer, was Selbstorganisation und Flexibilität betrifft? Das nennt man sich kümmern, bestenfalls rechtzeitig.