Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck macht es vor: Er spart. Er habe seine Duschzeit noch einmal "deutlich verkürzt", sagt er im "Spiegel". Außerdem möge er klimatisiere Räume nicht und heize im Winter wenig. Wie man ihm nacheifern kann, führt sein Ministerium auf seinen Seiten im Internet aus – mit "Smart gespart"-Tipps: "Liebe Ein-Familien-Haus-Besitzerinnen, liebe Stadtwohnungs-Mieter, liebe Haus-Eigentümerinnen und -Eigentümer, liebe Unternehmerinnen, liebe Handwerker, liebe 80 Millionen: Die Klimakrise und die angestrebte Unabhängigkeit von fossilen Energien machen Energiesparen notwendiger als je zuvor. Und dazu können wir alle beitragen."
"Welt"-Kolumnist Henrik M. Broder macht sich über die staatliche "Übervorsorge" lustig: „Der Staat kann nicht sparen, weil er 24/7 damit beschäftigt ist, uns zum Sparen aufzufordern", sagte er im "Welt"-Fernsehen. Dabei "werfe er mit Geld nur so um sich". Seine Beispiele: die Erweiterung des Bundestags, die Zahl der parlamentarischen Staatssekretäre und Bundesbeauftragten sowie Entwicklungshilfezahlungen an China. Heizkostenzuschüsse für Geringverdiener seien dagegen ein Klacks.
Nicht erst die Energiekrise und die hohe Inflationsrate haben Sparsamkeit wieder zur Tugend werden lassen. Seit einigen Jahren ist in bestimmten Kreisen weniger grundsätzlich mehr, Enthaltsamkeit ein Teil der Selbstoptimierung. Andere Bundesbürger sind ehrgeizige Schnäppchenjäger, durchforsten das Internet nach dem günstigsten Angebot und feilschen bei Einzelhändlern.
Verzicht, Vorsorge und sparsames Wirtschaften aus Überzeugung und auf freiwilliger Basis sind das eine – vorbildlich und erstrebenswert. Etwas ganz anderes ist, wenn der Staat die Bürger zum Sparen anhält und Bundesfinanzminister Christian Lindner die Bevölkerung auf ernst zu nehmende Entbehrungen einstimmt. "Verzichten wird vom 'Kann' zum 'Muss'", heißt es im "Tagesspiegel." Das ist ungewohnt, unbequem, unerhört. Schließlich sind es nicht alle, was oft vergessen wird, aber weite Teile der Bevölkerung gewohnt, aus dem Vollen zu schöpfen.
Der Lebensstandard hat sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs kolossal erhöht. Deutsche Löhne gehören zu den höchsten weltweit. Die Haushaltseinkommen sind gestiegen. In wenigen anderen Nationen wird so viel Geld fürs Reisen ausgegeben. Dass irgendetwas knapp werden kann, ist eine eher ungeübte Erfahrung – ob es sich um Toilettenpapier und Nudeln handelt, wie auf dem Höhepunkt der Corona-Krise, oder um Gas und Strom. Damit muss man umgehen lernen, ohne in eine Sinnkrise zu geraten. Gibt es ein Leben ohne die Devise "Gönn dir"? Wohl schon.
Das Problem ist, dass der Staat die Bürger zum Sparen (nicht nur von Energie) auffordern und auf Einschränkungen vorbereiten muss, ohne die Menschen verzagen zu lassen und zum Hamstern zu verleiten. Privater Konsum stützt das Wirtschaftswachstum und ist Teil der Wohlstandsentwicklung. Man spricht vom sogenannten Sparparadoxon, wenn Zukunftssorgen zu übermäßigem Sparen führen: Der Rückgang der Nachfrage hat Folgen für Angebot und Produktion, für Beschäftigung und Einkommen, Steuereinnahmen – und Sparquote. Nicht von ungefähr wurde 2020 die Mehrwertsteuer gesenkt, um den Konsum anzukurbeln.
Es geht nicht um ganz oder gar nicht
Es geht – weder bei Energieeinsparungen noch beim Verhaltenswandel für den Klimaschutz – nicht um ganz oder gar nicht, Maximum oder Minimum. Es geht um ein Dazwischen, um Mäßigung, eine Veränderung also, die fordert, ohne zu überfordern. Das ist allerdings nicht sonderlich populär. Die Nachfrage nach All-inclusive-Urlaub, "Powershopping" und "Binge-Watching" – stundenlanges Anschauen von einer Serienfolge nach der anderen – sowie Broders Beispiele aus Berlin sprechen dagegen.
Bei jungen Menschen erfreut sich auch der Ausdruck Yolo großer Beliebtheit – "you only live once", man lebt schließlich nur einmal. In Abwandlung eines Zitats aus der griechischen Antike wäre angemessen: Erfreue dich deines Lebens, als stürbest du morgen, aber verhalte dich als wärst du unsterblich.