Friedrich Merz ist nach vielen Rückschlägen dort angekommen, wo er nach eigener Einschätzung schon längst hingehört hätte: im Bundeskanzleramt. Dass der 69-Jährige künftig die Richtlinien der deutschen Politik bestimmen wird, ist die Konsequenz dieses Wahlergebnisses. Nun kann Merz unter Beweis stellen, dass er es besser kann als seine Vorgänger. Dass der selbstbewusste Sauerländer daran nie einen Zweifel gehegt hatte, wusste seine Gegenspielerin Angela Merkel schon lange: „Es gab ein Problem, und zwar von Beginn an: Wir wollten beide Chef werden“, schrieb sie kürzlich in ihren Memoiren.
Vielleicht haben die Niederlagen und Rückschläge dem künftigen Kanzler das notwendige Maß an Demut und Mitgefühl gelehrt, das es braucht, um schnell eine Regierungskoalition auf die Beine stellen zu können. Nach dem Wahlsieg verkniff sich Merz jede Häme in Richtung der in aller Deutlichkeit abgewählten SPD und streckte die Hand zur Zusammenarbeit aus. Angesichts der weltpolitischen Entwicklungen – wir schreiben an diesem Montag den dritten Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine – braucht Deutschland schnell eine handlungsfähige und stabile Regierung.
Für Olaf Scholz dürfte die politische Karriere beendet sein. Sein Kalkül, nach dem Ampel-Aus das Ruder noch herumreißen zu können, ging nicht auf. Die Wähler machten ihn persönlich für die miserabel regierende „Fortschrittskoalition“ verantwortlich. Auch wenn Scholz für viele Patzer nicht persönlich verantwortlich war: Als Kanzler ist es ihm nie gelungen, Führungsstärke zu zeigen und einen zerstrittenen Haufen in ein erfolgreiches Team zu verwandeln. Dazu kam sein Desinteresse an politischer Kommunikation. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, als sei Scholz erst im Wahlkampf nach drei Jahren Dauerstarre wieder erwacht – zu spät.
Scholz hat die Chance auf einen ehrenvollen Rückzug verpasst. Er hätte sich rechtzeitig in den Dienst seiner Partei stellen und zugunsten von Verteidigungsminister Boris Pistorius verzichten sollen. Das hätte ihm Respekt eingebracht. Stattdessen muss er mit dem schlechtesten Wahlergebnis der SPD bei nationalen Wahlen seit Februar 1887 abtreten. Welch eine Schmach für diese einst stolze Partei.