Um Punkt 12:51 Uhr beendete Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am Dienstag die Sitzung. Zum letzten Mal hat der 20. Bundestag an diesem kalten Wintertag in Berlin hitzig gestritten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) setzten den Schlagabtausch vom TV-Duell am Sonntag im Plenarsaal fort. Migration, Wirtschaftspolitik und der Umgang mit der AfD dominierten die Redebeiträge. Aussichten und Lust auf die Zukunft machte niemand. Immerhin gibt es ein Signal der Hoffnung.
Scholz will "Schwarz-Blau unmöglich machen"
Doch der Reihe nach: "Der Wind weht derzeit von vorn. Und die Wahrheit ist: Das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht grundlegend ändern", sagte Scholz zum Beginn der Debatte. Die Zeiten seien schwierig. Der Kanzler ist um Zuversicht bemüht: "Aber was ich den Bürgerinnen und Bürgern verspreche, ist: Wir kommen da durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen."
Gemeint war mit der letzten Bemerkung der Eklat Ende Januar. Die Union brachte mit den Stimmen der AfD einen Fünf-Punkte-Plan zur Migration durch. Scholz warf seinem Kontrahenten vor: "Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt: Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sache mit denen da", sagte Scholz in Richtung der AfD. Deshalb gehe es bei der Bundestagswahl darum, "Schwarz-Blau unmöglich zu machen".
Merz rechnet mit Regierung ab
"Was war das denn? 25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer. Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundeskanzler", entgegnete Unionkanzlerkandidat Friedrich Merz in Richtung Olaf Scholz. Merz betonte, wie zuletzt so oft, dass "eine Zusammenarbeit von uns mit der AfD nicht infrage kommt". Scholz warf er vor, einen "Popanz" aufzubauen – eine "Kunstfigur", mit der man Menschen Angst machen wolle.
Der Oppositionsführer holte zur Generalabrechnung gegen die Regierung aus. Scholz und sein Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kämen ihm so vor wie zwei angestellte Geschäftsführer, die ein Unternehmen vor die Wand gefahren hätten und anschließend den Eigentümern vorschlagen würden: "Wir würden das jetzt gerne noch mal vier Jahre so weiter machen. So kommen Sie mir vor."
Die Regierung hinterlasse ein "schieres Desaster" auf dem Arbeitsmarkt. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit. Zudem habe es in dieser Zeit 50.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben und einen Kapitalabfluss in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr. "Sie nehmen offensichtlich die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahr", rief Merz in Richtung Scholz.
Lindner und Habeck sind besorgt
FDP-Chef Christian Lindner sprach gar von einem Paralleluniversum und zeigte sich erschüttert über das Auftreten von Scholz und Merz. "Es ist eine erschreckende Aussicht, dass Sie beide das Land miteinander alleine regieren könnten", sagte er.

Unterstrich Deutschlands Rolle im globalen Klimaschutz: Robert Habeck (Die Grünen).
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck widmete seine Rede vor allem dem Klimaschutz – ein Thema, das im Wahlkampf bisher kaum angeschnitten wird. Es dürfe nicht auf der Strecke bleiben, mahnte er. "Wir können kein Land haben, das regiert wird von Leuten, die Sorge haben, Probleme anzufassen." Die Welt werde es verkraften, wenn die USA zeitweise aus dem globalen Klimaschutz ausstiegen. Wenn dies aber Deutschland tue, werde Europa seine Ziele nicht einhalten können. "Wenn Europa umfällt, dann ist es vorbei mit dem globalen Klimaschutz."
Eine Handreichung in Richtung der "demokratischen Mitte"
Spätestens 30 Tage nach der Wahl am 23. Februar nimmt der 21. Bundestag seine Arbeit auf. Bei all dem vom Wahlkampf gezeichneten Streit machte immerhin die Aussicht auf eine Kooperation Mut. Bis zur Wahl werde man hart kämpfen, sagte Merz. Für die Zeit nach der Wahl bot er den Parteien der „demokratischen Mitte“ die Zusammenarbeit an. Während er den Gedanken aussprach, blickte er betont lange in Richtung der SPD-Abgeordneten zu seiner Linken. Bundeskanzler Scholz sagte ebenfalls, dass Deutschland durch diese schwierigen Zeiten komme, wenn die politische Mitte stark bleibe.
Bundestagspräsidentin Bas (SPD) sprach zum Abschluss von dem "Ende einer außergewöhnlichen Wahlperiode". Nach der Wahl sei es wichtig, wieder aufeinander zuzugehen und Brücken zu bauen, auch über Fraktionsgrenzen hinweg. Kollegialität habe die Arbeit im Bundestag immer getragen und sei "eine der entscheidenden Gründe für erfolgreiche parlamentarische Arbeit". Es liege nicht zuletzt an den Abgeordneten, das Vertrauen in eine lösungsorientierte Politik zu stärken.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) rief zu mehr Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg auf.
Die Bürgerinnen und Bürger rief Bas dazu auf, ihre Stimme bei der Wahl abzugeben. Sie sei der festen Überzeugung: "Unsere freiheitliche Demokratie kann für die meisten Probleme der Menschen Lösungen finden." Deutschland habe schon viele Herausforderungen erfolgreich gemeistert, sagte sie, bevor sie die letzte Sitzung beendete.