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Rechte Landnahme im Osten Ein „Königreich“ in Sachsen

Immobilien als Versammlungs- und Rückzugsorte – wie sich Rechtsextreme im Osten Deutschlands einkaufen.
16.06.2022, 21:00 Uhr
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Von Sebastian Engel/DPA

Im „Königreich“ von Peter Fitzek packt der Monarch persönlich mit an. Auf einem Werbevideo des „Gemeinwohlstaates Königreich Deutschland“ sieht man ihn mit einem Baumstamm auf der Schulter durch einen verwilderten Garten laufen. „Meine Vision ist, dass wir ein eigenversorgtes Dorf hinbekommen, wo wir eigentlich alles das machen können, was man da draußen nur schwerlich tun kann“, sagt er in die Kamera.

Mit „draußen“ meint er die Bundesrepublik. „Drinnen“ ist demnach sein eigenes Reich. Seit wann gerade ein Königreich für Gemeinwohl steht, bleibt Fitzeks Geheimnis. Der Verfassungsschutz Sachsen rechnet ihn den „Reichsbürgern“ zu. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat ihm mehrfach unerlaubte Geschäfte seiner „Gemeinwohlkasse“ untersagt.

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In Sachsen sind derzeit in Bärwalde und in Eibenstock „Gemeinwohldörfer“ im Entstehen. Dazu hat Fitzek, der aus Halle an der Saale stammt und sich selbst auch als Menschensohn bezeichnet, mit dem Geld seiner „Untertanen“ zwei heruntergekommene Schlösser gekauft. Nach seinen Vorstellungen sollen sich die Dörfer „unabhängig von alten Systemstrukturen versorgen“ und ein selbstbestimmtes Leben „ohne Impfpass, Maske und Zentralbankkonto“ ermöglichen. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist alarmiert.

„Das ‚Königreich Deutschland‘ leugnet die geltende Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Es will pseudo-legitimierte Parallelstrukturen zu real existierenden staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen wie beispielsweise dem Steuer- und Finanzwesen sowie dem sozialen Sicherungssystem aufbauen“, hielt LfV-Präsident Dirk-Martin Christian im März in einer Art Warnschreiben an Kommunalpolitiker fest. Fitzek sei für seine Ziele auf die Ersparnisse beziehungsweise Finanzeinlagen seiner „Bewohner“ zwingend angewiesen. Es bestehe die Gefahr, dass sich weitere extremistische, sektenähnliche Siedlungsgemeinschaften herausbildeten.

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Tatsache ist, dass die „rechte Landnahme“ – so wird das Phänomen inzwischen genannt – vor allen in Ostdeutschland zunimmt. Während in Fitzeks „Königreich“ die Grenzen zu Verschwörungstheorien und Esoterik fließend scheinen, gilt anderswo rechte Ideologie als Markenkern. Nach Angaben des Verfassungsschutzes wirbt seit Februar 2020 etwa die „Initiative Zusammenrücken“ für die Ansiedlungen von Rechtsextremisten in „Mitteldeutschland“, vor allem im Raum Leisnig. In der Stadt, aber auch in umliegenden Gehöften, hätten sich in den vergangenen Jahren Rechtsextremisten mit ihren Familien angesiedelt.

Die Akteure kommen auch aus dem Westen. „Sie zählen zur Neonazi-Szene, manche von ihnen gehören dem parteigebundenen rechtsextremen Spektrum an. Auch ehemalige Mitglieder der im Jahr 2009 verbotenen neonazistischen ‚Heimattreuen Deutschen Jugend‘ zählen dazu“, heißt es im Jahresbericht des Verfassungsschutzes. „Ziel ist es, einen an rassistischen und völkischen Ideen orientierten Lebensentwurf zu verwirklichen, der ein Zeichen gegen die von der Szene empfundene ‚Überfremdung‘ durch die Zuwanderer setzen soll.“

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Dafür scheint der ländliche Raum in Ostdeutschland bester Nährboden. Einer der Protagonisten der „Initiative Zusammenrücken“ hält Sachsen für ein ideales Gebiet, da „man hier noch als richtiger Deutscher akzeptiert“ werde und „als Volk in Ruhe wieder wachsen könne“, zitiert ihn der Verfassungsschutz. Geworben wird etwa mit günstigen Bedingungen wie niedrigen Immobilienpreisen, ländlicher Abgeschiedenheit und geringen Zahlen an Migranten. Experten sehen in den Siedlungsprojekten zugleich ein Indiz für Bestrebungen, die rechtsextreme Szene weiter zu vernetzen.

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