Das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum alarmiert die deutsche Politik: "Es muss möglich sein, mit Zustimmung der Regierung in Kiew Drohnen, die nach Westen fliegen, schon über ukrainischem Gebiet unschädlich zu machen", fordert der Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp, als Konsequenz aus dem Vorfall. Die Ukraine hatte einen solchen Schutzkorridor entlang der polnisch-ukrainischen Grenze bereits zuvor gefordert, weil dies dem Land gestatten würde, seine Luftverteidigung auf andere Regionen zu konzentrieren. Solche Einsätze wären nach Ansicht von Röwekamp bei einer erkennbaren Gefährdung des Nato-Luftraums legitim. Dennoch: "Wir sind keine Kriegspartei und wollen auch keine werden".
Die Schlüsse, die der CDU-Politiker aus dem Vorfall zieht, sind eindeutig: "Mit dieser gezielten militärischen Eskalation auf Nato-Gebiet wird klar, dass Russland tatsächlich kein Interesse an einem Frieden in der Ukraine hat. Zweitens: Dieser Krieg findet zwar in der Ukraine statt, richtet sich aber gegen Europa und gegen unsere westlichen Werte." Daraus ergibt sich für Röwekamp, dass das westliche Verteidigungsbündnis nun weitere Schritte einleiten muss. "Der wirksamste Kampf gegen Drohnen besteht darin, zu verhindern, dass sie abgeschossen werden. Deswegen müssen wir die Ukraine militärisch in die Lage versetzen, auch mit weitreichenden Waffen Produktionsstätten und Abschussvorrichtungen für Drohnen auf russischem Gebiet zu zerstören." Deshalb müsse sich das Bündnis dazu bekennen, auch Waffen mit Reichweiten von bis zu 3000 Kilometern an die Ukraine zu liefern. Das war allerdings bisher politisch immer umstritten. US-Präsident Donald Trump hatte bisher eine Lieferung solcher weitreichenden Raketen an die Ukraine stets abgelehnt.
Bei dem Vorfall in der Nacht auf Mittwoch ging der Generalstab der polnischen Armee mit polnischen und niederländischen Kampfjets gegen die 19 Nachbauten von iranischen Shahed-Drohnen (Geran 2) vor – bildlich gesprochen wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen dabei vier Drohnen getroffen worden sein. Der Rest ist offenbar ganz von alleine auf polnischem Gebiet abgestürzt. Der Großteil der Drohnen oder möglicherweise alle waren nach Angaben polnischer Militärs mit Sprengstoff bestückt. Auffällig ist allerdings, dass mehrere Drohnen ohne Detonation am Boden einschlugen. Mindestens eine Drohne sei aber in Richtung Verteilzentrum für die Ukraine-Militärhilfe am Flughafen Rzeszow gesteuert, hieß es aus Nato-Kreisen.
Schwäche bei der Abwehr
In Deutschland hat der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, die fehlenden Fähigkeiten zur Abwehr von Drohnen als größte Schwäche der Bundeswehr bezeichnet. In anderen Nato-Streitkräften ist die Lage aber kaum anders. Nun soll wieder eine Heeresflugabwehr aufgebaut werden. Die Bundeswehr wartet dafür auf Waffensysteme wie den Skyranger von Rheinmetall, ein mobiles Flugabwehrsystem auf Fahrzeugen, das allerdings zuerst in die Ukraine geliefert wird.
Für Thomas Röwekamp gilt es, in Sachen Drohnenabwehr auf die Erfahrungen des Ukraine-Kriegs zurückzugreifen: "Die schießen ja auch nicht mit Patriots auf Drohnen, sondern haben sehr gute Möglichkeiten zum frühzeitigen Erkennen und Erfassen von Drohnen". Speziell die Tatsache, dass Drohnen oft in großen Verbünden eingesetzt werden, mache die Bekämpfung kostenintensiv. "Für einen Massenangriff brauchen wir einfache, günstige und schnelle Systeme", so der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.
Als erfolgreich im Bereich der Drohenabwehr hat sich insbesondere der Flugabwehrpanzer Gepard der Bundeswehr erwiesen, dessen hohe Schussfrequenz sich als Vorteil erweist. Bei seiner jüngsten Reise in die Ukraine hatte sich Röwekamp aber unter anderem auch mit Vertretern deutscher Firmen getroffen, die Abwehrdrohnen entwickeln: "Da geht es jetzt darum, schnell die Produktion hochzufahren."
Polen schränkt Luftverkehr ein
Unterdessen hat Polen wegen des Eindringens russischer Drohnen in seinen Luftraum eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates beantragt. Das teilte das polnische Außenministerium in Warschau mit. Außenminister Radoslaw Sikorski sagte in einem Radiointerview, Polen wolle „die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf diesen beispiellosen Angriff russischer Drohnen auf einen Mitgliedstaat nicht nur der UN, sondern auch der Europäischen Union und der Nato“ lenken.
Als erste Gegenmaßnahme wurde der Luftverkehr im Osten des Landes eingeschränkt. Die Auflagen gelten bis zum 9. Dezember entlang der Grenze zu Belarus und der Ukraine für den Luftraum vom Erdboden bis zu 3000 Meter Flughöhe, sagte ein Sprecher der Luftfahrtbehörde. Innerhalb dieser Zone ist von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang jeglicher Flugverkehr verboten, eine Ausnahme gilt für Militärmaschinen. Für zivile Drohnen gilt ein Flugverbot rund um die Uhr. Tagsüber gelten für zivile Flugzeuge konkrete Auflagen. Sie müssen mit bestimmten Transpondern zur Kommunikation mit der Flugleitstelle ausgestattet sein.
Auch Lettland wird seinen Luftraum an der Ostgrenze zu Belarus und Russland für eine Woche sperren. Die Anordnung werde bis zum 18. September mit der Möglichkeit einer Verlängerung gelten, kündigte Verteidigungsminister Andris Spruds in Riga an.
Tusk fordert Hilfe an
Regierungschef Donald Tusk forderte die Nato-Verbündeten zu Hilfeleistungen auf: „Wir erwarten deutlich mehr Unterstützung bei der Verteidigung des polnischen Luftraums“. Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sagte, Schweden wolle kurzfristig Gerät zur Luftabwehr und Flugzeuge nach Polen verlegen. Tschechien plant, drei Hubschrauber einer Spezialeinheit zu entsenden. Sie sollen der polnischen Armee helfen, das Land vor Drohnen zu schützen, die in geringer Höhe operieren. Auch der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans sagte bereits weitere Hilfe bei der Luftabwehr zu. Weiter soll es Angebote aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Finnland und den baltischen Staaten geben. Deutschland hat die Anzahl seiner Kampfjets bereits verdoppelt.