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Irak Was die Rückkehr in den Irak für Flüchtlinge attraktiv macht

Immer mehr Iraker kehren freiwillig aus Deutschland in ihre Heimat zurück. Ahmed Alooed ist einer von ihnen – er erzählt von seiner Rückkehr und den Herausforderungen, die ihn erwarten.
22.07.2025, 05:00 Uhr
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Was die Rückkehr in den Irak für Flüchtlinge attraktiv macht
Von Birgit Svensson

Ahmed Alooed schmunzelt: „Ich war ein Flüchtling der ersten Stunde“, sagt der Iraker. Die Deutschen hätten ihn willkommen geheißen. „Alles habe ich bekommen damals: Socken, Hemden, Seife.“ Wie Tausende andere Irakerinnen und Iraker ist er über die Balkanroute nach Europa gekommen, hat 2200 Dollar an Schlepper bezahlt. Als Schweißer fand er nach zwei Jahren in Hamburg Arbeit und wurde zum Automechaniker ausgebildet. Jetzt arbeitet er bei General Motors in Bagdad.

„Mein Vater war Schiit, meine Mutter Sunnitin. Plötzlich spielte das eine Rolle.“ Zuerst der Bürgerkrieg mit Al Qaida, danach der IS. „Ich hielt es nicht mehr aus.“ Doch das Heimweh war zu groß, seine Mutter flehte ihn an zurückzukommen. Nach sechs Jahren in Hamburg ging Ahmed also zurück nach Bagdad. Was er aus Deutschland mitgenommen hat? „Das Ausbildungssystem ist um vieles besser als hier“, sagt der 30-Jährige, der bald heiraten möchte. Seine Auserwählte dürfe aber nicht arbeiten, wie es in Deutschland üblich sei. „Sie soll für mich kochen und tanzen.“

In den vergangenen Monaten sind immer wieder Abschiebeflüge von Deutschland in den Irak in die Schlagzeilen geraten, Demonstrationen gegen die Rückführung von Flüchtlingen finden statt. In der Regel trifft die Abschiebung Menschen, die entweder straffällig geworden sind oder keinen gültigen Aufenthaltstitel haben. Diese Flüge finden regelmäßig seit Ende 2023 statt, seit der irakische Premierminister Mohammed Shia al-Sudani mit seinem ersten Amtsbesuch nach Deutschland reiste.

Es seien etwa zwei Flüge im Monat, gibt ein Insider in Bagdad Auskunft, für die jedes Mal neue Überfluggenehmigungen eingeholt werden müssten, weil es sich um Sonderflüge handele. Dass diese „Rückführungsflüge“, wie sie im Amtsdeutsch heißen, erst jetzt in die Schlagzeilen geraten, ist wohl der kontrovers geführten Migrationsdebatte geschuldet.

„Zu der Migrationsdebatte in Deutschland möchte ich mich nicht äußern, die wird mir zu heiß geführt“, sagt Lukman Faily, irakischer Botschafter in Deutschland. „Da mische ich mich nicht ein, doch was ich sehe, ist, dass viele Iraker jetzt auch freiwillig zurückgehen.“ Der 59-jährige Kurde aus Bagdad nimmt das Wort Flüchtlinge nicht in den Mund, spricht von Landsleuten. „Alles in allem haben wir zurzeit etwa 400.000 Irakerinnen und Iraker in Deutschland. Sie sind auf das ganze Land verteilt, manche sind schon in dritter Generation dort. Viele kamen aber erst 2015, vor allem Jesiden, die vor dem IS geflohen sind.“

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Integration sei deshalb ein großes Thema. „Wir als Botschaft versuchen, eine Brücke zu ihrer Heimat zu sein. Wir sind den Deutschen sehr dankbar, dass sie uns in den schwierigen Zeiten geholfen haben, schon der ersten Generation Flüchtlinge, die vor Saddam Hussein geflohen ist.“

Für Rückkehrer in den Irak stehen drei Organisationen bereit, die bei der Wiedereingliederung helfen sollen. Für diejenigen, die aus Deutschland zurückkommen, hat die regierungseigene Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Projekt aufgelegt, das sich kurz Gmac nennt – das Kürzel steht für „Deutsches Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration in der Kurdischen Region in Irak“. Sie seien nur digital zu erreichen, hätten kein Büro, heißt es auf der Webseite. Allerdings geht niemand ans Telefon, und auch Mails bleiben unbeantwortet. Die zweite ist die Internationale Organisation für Migration (IOM): Sie betreut Rückkehrer aus der ganzen Welt, man muss einen Termin beantragen.

Bei der dritten hat man mehr Glück. Im Büro des „European Technology and Training Center“ (ETTC) in einer Seitenstraße im Bagdader Stadtteil Karada trifft man auf Shirin, die gerade ihren ersten Arbeitstag in dem noch nach Malerfarbe riechenden Zimmer hat. Ihre Arbeit werde durch Frontex finanziert, der EU-Grenzschutzorganisation. „Abgeschobene haben Anspruch auf 1000 Euro Reintegrationshilfe, Freiwillige auf das doppelte“, klärt sie auf. Das Geld sei für Sachleistungen vorgesehen und werde nicht bar ausbezahlt. Außerdem gebe es Training und Jobangebote.

Diejenigen, die freiwillig zurückkämen, würden von ETTC-Mitarbeitern am Flughafen mit 600 US-Dollar begrüßt. Diejenigen, die abgeschoben werden, bleiben sich nach der Ankunft selbst überlassen. Wie viele bereits zurückkamen, kann Shirin nicht sagen, da sich nicht alle Rückkehrer beim ETTC einfinden. „Viele wissen einfach nichts davon.“ Doch gebe es mehr Freiwillige als Abgeschobene, die zu ihnen kommen.

Ahmed Alooed hat diese Hilfen in Anspruch genommen. Als er vor gut zwei Jahren freiwillig nach Bagdad zurückkam, gab es diese Anlaufstellen noch nicht. Die Wirtschaft Iraks begann gerade zu boomen, es hatte sich noch nicht herumgesprochen, dass es mit dem Land aufwärts geht. „Jetzt kommen viele zurück, weil sie meinen, dass sie hier eine bessere Perspektive haben als in Deutschland“, begründet Ahmed Alooed die Motivation der Rückkehr. Allerdings sei es für Familien mit Kindern noch schwierig, sich in das irakische Schulsystem zu integrieren. Eine deutsche Schule gibt es bislang nur im kurdischen Erbil.

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