Die Nachricht des Tages kommt aus der alten Heimat. „Ich habe gerade gelesen, dass der Flughafen in Mossul wiedereröffnet wurde“, sagt Hiba Nayef, als sie sich vergangene Woche mit dem WESER-KURIER trifft. Innerhalb der nächsten zwei Monate soll der Flughafen den Nord-Irak nach mehr als zehn Jahren wieder regulär mit der Region und irgendwann auch mit dem Rest der Welt verbinden. Es ist eine gute Nachricht für die junge Frau. Sie ist nur 15 Autominuten von Mossul entfernt aufgewachsen, in Baschiqa.
Nayef wird die Fortschritte am einst vom Islamischen Staat, dem IS, eingenommenen und später bei Kämpfen zerstörten Flughafen genau beobachten. Denn sie hat sich vorgenommen, ihren Heimatort Baschiqa im September zu besuchen – zum ersten Mal nach inzwischen acht Jahren, die sie jetzt in Deutschland lebt. Wie praktisch es doch wäre, könnte sie dann tatsächlich direkt in Mossul landen.
Die Eröffnung des Flughafens ist ein Zeichen dafür, dass es im Irak mit der Rückkehr zur Normalität vorangeht. Für Nayef aber trotzdem kein Grund, in ihre Heimat zurückzukehren. „Das ist nicht mein Plan, jetzt nicht und auch nicht später“, sagt sie, „denn ich bin hier zu Hause. Bremen hat mir ein neues Leben ermöglicht.“ Sie hat Deutsch gelernt, eine Ausbildung gemacht, in Bremen-Nord mit ihrem Freund eine eigene kleine Wohnung gefunden. Große Teile ihrer Familie, Vater, Mutter, Geschwister, wohnen in Bremen und umzu. Sie hat längst neue Freunde gefunden.
Wer ihr fehlt: der große Bruder, die kleine Schwester, einige Onkel und Tanten und ihre Freundinnen aus der Schulzeit. Sie leben bis heute in Baschiqa. „Deshalb freue ich mich auch so riesig darauf, sie endlich besuchen zu können.“ Das ist möglich, weil Nayef, 27 Jahre alt, seit November 2024 einen deutschen Pass hat.
Sie hat eine ungefähre Vorstellung davon, was sie bei ihrem Besuch in Baschiqa erwartet, und zwar ein Städtchen, das langsam, aber sicher zu sich zurückfindet. Als sie Baschiqa mit ihrer Mutter 2017 verlässt, ist der IS seit einem Jahr dabei, die jesidische und christliche Bevölkerung zu töten und zu vertreiben. Rund 80 Prozent der damals 46.000 Bewohner Baschiqas, darunter auch die Nayefs, sind jesidisch. Der IS zerstört alle Tempel und Kirchen im Ort. Inzwischen sind einige davon wieder aufgebaut.
„Das Leben in Baschiqa ist zwar relativ sicher im Moment“, sagt Nayef, „aber wer weiß, für wie lange. Und wirtschaftlich muss noch viel passieren.“ Sie würde, davon ist sie überzeugt, in der Region keine adäquate Arbeitsstelle finden. „Ich möchte meinen Beruf nicht aufgeben“, sagt sie. Dafür habe sie zu viel in ihre Ausbildung in Deutschland investiert. Sie ist Medizinische Technologin für Radiologie im Klinikum Links der Weser, wechselt in Kürze ans Klinikum Bremen-Nord, näher an ihren Wohnort. Ihr Freund hat sich bei einem Logistikunternehmen vom Staplerfahrer zum Gruppenleiter hochgearbeitet.
Wie schwer es immer noch ist, im Irak trotz aller Fortschritte beruflich Fuß zu fassen, sieht Nayef an ihren Geschwistern, die in Baschiqa geblieben sind. Beide haben studiert, beide finden aber seit Jahren keine Stelle, die ihrer jeweiligen Qualifikation angemessen wäre. Ihr Bruder, sagt Nayef, sei Fahrer in einer kleinen Firma. Ihre Schwester habe sich mit einem Projekt selbstständig gemacht. „Sie bringt Frauen das Autofahren bei.“ Für sich selbst hat Nayef andere Pläne. Sie will ihre Vorstellung von einem erfüllten Leben in Deutschland verwirklichen.