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Frauen in der Politik Kirsten Kappert-Gonther: Es ist anstrengend, sich Gehör zu verschaffen

Zu 100 Jahren Frauenwahlrecht erklärt die Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther, warum sie schlechten Umgang mit weiblichen Politikerinnen nicht akzeptiert.
12.11.2018, 13:12 Uhr
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Kirsten Kappert-Gonther: Es ist anstrengend, sich Gehör zu verschaffen
Von Lisa-Maria Röhling

Kirsten Kappert-Gonther: Mir fallen die Unterschiede in der Behandlung zwischen Politikerinnen und Politikern an drei Punkten deutlich auf: Es gibt diese pseudocharmanten Hinweise auf mein Äußeres. „Oh hallo, schöne Frauen begrüße ich zuerst“ ist nicht die Ansprache, die in der Politik angemessen ist. Männer werden außerdem ganz selbstverständlich mit ihren Titeln angesprochen – manchmal sogar, wenn sie keine Doktortitel haben. Mein Doktortitel wird häufig weggelassen. Wenn ich das dann anspreche, wird meist geschmunzelt.

Zuletzt bemerke ich sehr deutlich: Wenn Frauen etwas in einer Runde sagen, das Argument von einem Mann mit einer anderen Wortwahl wiederholt wird und sich danach ein Debattenteilnehmer auf das Argument bezieht, zitiert er in der Regel den männlichen Redner. Das sind eingeübte Strategien. Deshalb achte ich auch darauf, dass ich mich möglichst immer auf Frauen beziehe, um uns gegenseitig sichtbar zu machen.

"Im Bundestag ist es viel unruhiger, wenn eine Frau spricht"

Im Deutschen Bundestag fällt mir in dieser Legislatur deutlich auf, dass es viel unruhiger ist, wenn eine Frau spricht. Da gibt es viel höhnisches Lachen, besonders von rechts außen. Sowas kenne ich nur aus dem Bundestag – in Bremen habe ich das noch nicht erlebt. Zwar wächst einerseits das gesellschaftliche Bewusstsein, dass ein Umgang auf Augenhöhe eine entscheidende Rolle für das Gemeinwohl spielt. Aber es gibt gleichzeitig zunehmende massive Angriffe auf Frauenrechte, zum Beispiel in der Abtreibungsdebatte. Da muss ich mir Wortmeldungen anhören, in denen Männer meinen, sie müssten Abtreibungen verurteilen.

Gerade in den Pflege- und Fürsorgedebatten gibt es immer wieder Zwischentöne, dass beispielsweise Kindergartenplätze nur für Frauen wichtig seien. Wenn über Frauenrechte gesprochen wird, ist es ungewöhnlich, wenn ein Mann spricht. Dabei finde ich, dass Gleichstellung ein Thema für Männer und Frauen ist, schließlich profitieren davon alle. Bei uns in der Fraktion gibt es viele Männer, die sich als Feministen bezeichnen, weil sie in einer Gesellschaft auf Augenhöhe leben wollen. Eigentlich sollten alle Themen von allen Geschlechtern bearbeitet werden.

Mein Mann und ich haben uns immer gegenseitig unterstützt, sodass wir beide mit zwei Kindern unseren beruflichen Weg gehen konnten. Doch ich bin auch erst in die Bürgerschaft gewählt worden, als unsere Kinder schon groß waren, sonst wäre das vermutlich anders abgelaufen. Schließlich verbringen wir in der Politik viel Zeit ohne die Familie. Es ist sehr schwierig, Politik und Fürsorgearbeit zu verbinden. Das schreckt Frauen noch zu oft ab, in Spitzenpositionen in der Politik zu gehen.

"Ich bemerke immer wieder einen latent sexistischen Ton"

Die Repräsentanz von Frauen ist durch die Quote in die DNA meiner Partei eingewebt. Schon in meiner Beiratszeit wurde ich immer unterstützt, auch wenn es ein Sprung ins kalte Wasser war. Das ist mir als Feministin auch wichtig. Andere Parteien sind leider noch nicht so weit.

In überparteilichen Gremien bemerke ich immer wieder, dass es schwieriger ist, mir als Frau Gehör zu verschaffen und Themen durchzubringen. In Sitzungen agieren wir Frauen immer mit einem enormen Fachwissen. Dass eine Kollegin mal unvorbereitet in einen Ausschuss geht, habe ich selten erlebt.

Ich bemerke immer wieder einen latent sexistischen Ton und diese männliche geprägte Politikkultur. Das ist für viele Frauen sicherlich ein Hindernis, sich in der Politik zu engagieren. Ich spreche so etwas häufig an. Das ist einfach kein guter Umgang und sowas akzeptiere ich nicht. Missstände müssen angegangen werden. Ich wünsche mir, dass sich noch viel mehr Frauen in der Politik engagieren, es lohnt sich!

Zur Person

Zur Person:

Kirsten Kappert-Gonther (51) war Beiratsmitglied in Schwachhausen, bevor sie 2011 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft wurde. 2017 zog die Grünen-Politikerin in den Deutschen Bundestag ein.

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