Frankreichs Krise ist nicht vorbei, nur weil es beim vierten Protesttag der Gelbwesten nicht zur totalen Gewalt-Explosion oder erneut zu Toten gekommen ist. Immerhin erforderte dies ein Großaufgebot von Sicherheitskräften und einen Fast-Ausnahmezustand in Paris, der die sonst so quirlige Hauptstadt wirtschaftlich trifft. Die Lage bleibt prekär.
Infolge der überproportionalen Aufmerksamkeit durch die französischen Medien und auch durch die Regierung, die den Kontrollverlust fürchtet, fühlt sich die Bewegung bestärkt. Nun sei das Volk an der Reihe, fordern die Gelbwesten, die teils das ganze System stürzen wollen – ohne konkrete Alternativvorschläge zu machen. Die Suche nach Wortführern für konstruktive Verhandlungen verlief chaotisch, die dialogbereiten Vertreter erhielten sogar Todesdrohungen.
Trotz dieser Schwächen bringen die Gelbwesten Präsident Emmanuel Macron an seine Grenzen. Die Wut fokussiert sich zwar stark auf seine Person und arrogant wirkende Attitüde. Darüber hinaus zeigt sie aber einen immensen Verdruss über die Politik, welcher Macron als vermeintlicher Außenseiter bei der Präsidentschaftswahl noch nutzte.
Auch drückt sich ein umfassender Zorn auf soziale Ungerechtigkeiten aus, die unsere Gesellschaften zunehmend prägen. Bisher fehlen Antworten darauf. Im internationalen Vergleich klagen die Franzosen auf hohem Niveau: Ihr Land bietet ein relativ großzügiges Sicherheitsnetz und einen sehr präsentem Sozialstaat – von dem aber noch mehr Ausgleich erwartet wird. Das war bislang keine Priorität Macrons, der davon ausging, dass es allen besser gehen werde, wenn er nur die Wirtschaft stärkt.
Es wäre fatal, wenn er von seinem Reformkurs abrücken würde, mit dem er demnächst die Arbeitslosen- und Rentensysteme effizienter und gerechter machen wollte. Um die Lage wieder in den Griff zu bekommen, muss Macron dennoch seinen Stil ändern. Unbekümmertes Durchregieren mit königlichen Allüren wie bisher ist nicht mehr möglich. Es geht jetzt darum, Vertrauen zurückzugewinnen, seine Politik besser zu erklären und sie auf alle auszurichten – auch auf die Abgehängten und Enttäuschten. Vor dem Präsidenten liegt eine Mammutaufgabe.