Zwischen Bremen und Island gibt es seit Jahrhunderten viele Verbindungen. Die Spuren sind bis heute etwa in der Innenstadt sichtbar. Doch wer glaubt, es drehe sich alles nur um Fisch und Schiffe, irrt.
Man kann es vielleicht auch als Lob verstehen: „In keinem anderen Bundesland bin ich so oft gewesen wie in Bremen“, hat der isländische Botschafter in Deutschland, Gunnar Snorri Gunnarsson, in dieser Woche gesagt, als er in Bremerhaven zu Gast war. Das hat einen guten Grund. Denn der kleine Inselstaat im Nordatlantik hat eine besondere Beziehung zu Bremen.
Dafür sind vor allem zwei Dinge verantwortlich: die Kirche und die Seefahrt. Von Bremen aus ist die Christianisierung Islands organisiert worden. Denn als der Papst im neunten Jahrhundert das Erzbistum Hamburg gründete, lautete der Auftrag, Nordeuropa und Skandinavien zu missionieren. Und weil in Hamburg die Wikinger den Bischof vertrieben, wurde Bremen Sitz des Erzbistums. Die katholische Kirche an der Weser steuerte somit von 848 bis 1104 Islands Missionierung. Mit Erfolg: Island nahm im Jahr 1000 mit einem offiziellen Parlamentsbeschluss den christlichen Glauben an. Der Bremer Erzbischof Adalbert weihte 1056 Isleif, den ersten isländischen Bischof. 1104 verlor Bremen jedoch die Zuständigkeit, weil der Papst für die Gläubigen in Dänemark, Norwegen, Schweden und Island das Erzbistum Lund gründete.
Wer die Ostkrypta des Bremer Doms besucht, findet heute noch Spuren dieser frühen Verbindung nach Island. Eine Säule in der Nähe des Altars zieren Abbildungen eines zotteligen Tieres und einer Schlange. Kirchenhistoriker gehen davon aus, dass es sich dabei um den Fenriswolf und die Midgardschlange handelt – Symbole aus der nordisch-heidnischen Kultur, die so auch in der isländischen Edda auftauchen. Die Edda ist eine Sammlung an altisländischen Sagen- und Heldengeschichten. Die Tiere sind Experten zufolge auf der Westseite der Säule angebracht worden, um zu symbolisieren, dass der Norden von seinem Unglauben erlöst wurde.
Der Bremer Dom ist mittlerweile lutherisch, und an katholische Missionierung von Bremen aus ist kaum noch zu denken. Auf der Hand liegt deshalb Bremens zweite starke Verbindung zu Island: die Seefahrt und der Fischhandel. Denn schon seit dem 15. Jahrhundert betrieben Bremen, Hamburg, Lübeck und Stade Islandfahrt. Heute noch befindet sich mit der Fischereibetriebsgesellschaft Bremerhaven der größte Fischumschlagsplatz Deutschlands im Lande Bremen. Und der ist für die Fischexport-Nation Island enorm wichtig.
Die mehr als eintausendjährige Beziehung von Island und Bremen ist vor einigen Jahren mit einer Ausstellung namens „Kirche, Kaufmann, Kabeljau“ in der Bürgerschaft gefeiert worden. Im Staatsarchiv Bremen findet sich dazu eine Broschüre, in der nachgelesen werden kann, wie der Handel der Norddeutschen Hanse mit Island funktionierte. Die deutschen Schiffe brachten vor allem Getreide auf die Insel, denn davon gab es auf Island wenig. Vier Wochen dauerte die gefährliche Überfahrt. Zwei Monate blieben die Kaufleute auf Island. Auch Fisch wurde damals schon gehandelt. Von 1602 bis 1854 war der Handel jedoch unterbrochen. Denn der dänische König – Island gehörte bis 1944 zu Dänemark – verbot Wirtschaftsbeziehungen mit anderen Ländern als seinem.
Islands wichtigster Wirtschaftszweig ist wegen der fischreichen Gewässer im Nordatlantik schon sehr lange die Fischerei. Der Unternehmer Friedrich Busse aus Geestemünde, heute ein Stadtteil von Bremerhaven, baute 1891 den ersten deutschen Fischdampfer. Weil die Strecke nach Island jedoch so weit war und es damals kein Kartenmaterial von der Insel gab, starteten die Bremer Seeleute ihre Fahrt Richtung Island zunächst nur von Großbritannien aus. Doch als sich der dortige Fischreichtum herumsprach, nahm die deutsche Hochseefischerei zu.
Als Island seine Fischereizone von zwölf auf 50 und 1976 auf 200 Seemeilen (370 Kilometer) erhöhte, damit ausländische Kutter nicht die isländische Wirtschaftsgrundlage wegfischten, brach allerdings die deutsche Hochseefischerei ein. Den bremisch-isländischen Beziehungen jedoch hat das nichts anhaben können. „Wir wollten irgendwann nicht immer nur über Fisch reden“, sagt Reinhard Meiners, der bis 1996 die Fischereihafenbetriebs- und Entwicklungsgesellschaft Bremerhaven (FBEG) geleitet hat. Deshalb ist im Jahr 1985 die Deutsch-Isländische Gesellschaft (DIG) Bremerhaven/Bremen gegründet worden.
Zehn Isländer leben in Bremen
Auch die ist, wie Meiners sagt, ein Beweis für die enge Beziehung zwischen beiden Partnern. Gegründet hat die DIG der damalige Bürgerschaftsabgeordnete Uwe Beckmeyer (SPD), der später Senator für Außenhandel wurde und heute Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium ist. Der Verein organisiert Lesungen, Konzerte und Theaterabende – und lädt regelmäßig den isländischen Botschafter zu Vorträgen ein. Meiners war als Chef der FBEG oft in Island. Wie oft? „Als ich 70 Jahre alt war, habe ich aufgehört zu zählen“, sagt der 84-Jährige. Er kann nur schätzen: „Bestimmt schon 100 Mal.“ Wegen seiner guten Beziehungen zu dem Land ist er 1994 zum Honorarkonsul ernannt worden. In dieser Zeit hat er einen Gedenkstein im isländischen Vik errichten lassen. Der erinnert an die zahlreichen Fischer, die bei den waghalsigen Fahrten nach Island Ende des 19. Jahrhunderts umgekommen sind.
Gerade einmal zehn Isländer leben derzeit im Land Bremen, sieben in Bremen, drei in Bremerhaven. Von einer isländischen Community zu sprechen, wäre also übertrieben. Einer von ihnen ist der Bremerhavener Unternehmer Samuel Samuelsson. Er leitet – wie könnte es anders sein – eine Fischimport-Firma, gemeinsam mit seinem Bruder. Auch Samuelsson ist Mitglied in der DIG. „Ich bin da oft der Kommunikator, weil ich isländisch spreche“, erklärt der Bremerhavener.
Er will den isländischen Rotbarsch in Deutschland beliebter machen. Er sagt: „In Island isst man 80 Kilo pro Kopf im Jahr und hier nur 14 Kilo.“ Sein Geschäft, der Fischimport, ist ein klassisches Beispiel für die isländisch-bremische Beziehung. Im Jahr 2015 importierte Bremen Waren im Wert von 72,7 Millionen Euro aus Island, davon entfielen allein 30,9 Millionen auf Frischfisch und 23,3 Millionen auf Fisch- und Fleischmehl.
Ebenfalls interessant: An dritter Stelle mit 16,5 Millionen Euro folgen Eisenlegierungen. Die Ausfuhren aus Bremen nach Island wirken im Gegenzug marginal: Waren im Wert von gerade einmal 3,8 Millionen Euro verkaufte Bremen an den Inselstaat. Das meiste davon waren Autos.
Beziehungen könnten bald noch enger werden
Die Verbindung zwischen Bremen und Island könnte künftig sogar ein kleines bisschen enger werden. Denn für den geplanten Finnafjord-Hafen im Norden der Insel hat die isländische Regierung das Bremer Unternehmen Bremenports zu Rate gezogen. Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) spricht sogar von einer „maritimen Partnerschaft“. Er ist im Mai mit einer Delegation aus Unternehmern nach Island gereist, wo er den scheidenden Präsidenten Ólafur Ragnar Grimsson traf. Bislang ist Bremenports nur beratend tätig, heißt es im Wirtschaftsressort. Das städtische Unternehmen soll mit einem isländischen Ingenieurbüro den neuen Hafen planen und ein Konzept erarbeiten, wie Investoren dafür zu finden sind.
Dass Bremen und Island schon enger zusammen gekommen sind, zeigt ein anderes Beispiel. Seit wenigen Wochen fliegt eine Fluggesellschaft in nur dreieinhalb Stunden von Bremen im Direktflug nach Reykjavik. „Island sieht mich jetzt also wieder öfter“, freut sich der 38 Jahre alte Samuelsson, der mit seinen Eltern schon als Kind nach Deutschland ausgewandert ist. „Meine ganze Familie lebt noch auf Island.“ Bei der schnellen Verbindung sei jetzt ja sogar ein Wochenendtrip möglich.