Vom kleinen Grenzverkehr haben beide profitiert. Wohlhabende Russen kamen gerne auf Urlaub nach Imatra oder Lappeenranta, rund 5000 erwarben Ferienhäuser im Saimaa-Seengebiet, waren im Südosten Finnlands gern gesehene Kunden. Wie umgekehrt Finnen gerne ins nahegelegene St. Petersburg reisten. Oder in die alte Heimat nach Wyborg, das die Finnen nach dem Krieg 1944 an die Sowjetunion abtreten mussten, um ihre erst 1917 von Russland erlangte Unabhängigkeit zu behalten – als neutraler Staat.
Damit ist es aus und erst mal vorbei: Wer jetzt aus Russland nach Finnland kommt, an die 2000 Menschen täglich, flieht vor Putins Terror-Regime. Nun bestimmen Angst und Misstrauen das Leben und Bewusstsein der Finnen und ihr Verhalten gegenüber dem heiklen Nachbarn, mit dem man sich 1340 Kilometer Grenze teilt. Die Finnen sind erstmals mit Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Nato-Beitritt.
Im April diskutiert das Parlament in Helsinki das Thema, und da kündigt sich ein radikaler Politikwechsel an. Weil die Bündnisfreiheit bislang wie in Schweden als Sicherheitsgarantie galt, hat Finnland Moskau gegenüber lange Jahre vorsichtig agiert und sich oft abgestimmt – diese Politik gilt nun als zu unterwürfig. Putin hat, trotz aller Drohungen gegenüber Finnland und Schweden, mit seinem Krieg gegen die Ukraine einen historischen Sinneswandel bewirkt und die Nato als Schutzmacht attraktiv gemacht. Die Annäherung der beiden Nordländer an das nordatlantische Verteidigungsbündnis wäre der Endpunkt einer Entwicklung, die mit beider EU-Beitritt 1995 begann. Seit der Annexion der Krim 2014 nehmen die beiden Staaten an Nato-Manövern teil, wird die Beschaffung von Waffensystemen eng koordiniert.

Zu Besuch in Berlin: Sanna Marin, Ministerpräsidentin von Finnland, hier mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Noch agieren Regierungschefin Sanna Marin und ihre Kollegin Magdalena Andersson in Stockholm vorsichtig, doch Marin schwebt eine Neuausrichtung der finnischen Sicherheitspolitik im „nationalen Konsens“ vor, inklusive Energiesicherheit. So setzt Finnland mit Zustimmung auch der Grünen weiter auf Kernenergie, baut als erstes Land der Welt ein Atommüll-Endlager – typisch finnischer Pragmatismus.