Wer auch nur einmal einen geliebten Menschen in die Badewanne gehievt hat, kennt den Schmerz. Da ist einerseits der Angehörige, der nicht mehr kann, wie er gerne möchte. Da ist der Pflegende, der dabei zusieht, und – sofern er kein Medizinfachmann ist – dem Verfall nichts entgegenzusetzen hat. Und wenn es ganz schlecht läuft, springt dem Pflegenden beim Umheben des Angehörigen in die Wanne noch die Bandscheibe raus. Ganz zu schweigen vom Schmerz des Gepflegten, der den Angehörigen keine Umstände bereiten möchte.
Hierzulande werden bald mehr Menschen diesen Schmerz spüren. Denn mit dem gestiegenen Eigenanteil an den Kosten für die Unterbringung im Heim werden sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen künftig zweimal überlegen, ob sie den Rundum-Service im Alter nutzen können. Die wenigsten haben im Alter monatlich rund 3000 Euro übrig, um den Eigenanteil aus eigener Tasche zu bestreiten.
Es werden, sofern überhaupt vorhanden, alle Ersparnisse und Besitztümer eingesetzt. Erst wenn die Habe komplett aufgebraucht sind, springt der Staat ein. Bei einer monatlichen Durchschnittsrente von 1542 Euro in Bremen und 1551 Euro in Niedersachsen, wie aus dem Rentenatlas hervorgeht, wird viele Bürger der Region dieses Schicksal ereilen.
Pflegeheime werden zum Luxusgut
Pflegeheime werden mehr und mehr zum Luxus, obwohl sie angesichts des demografischen Wandels besser massentauglich sein sollten. Der zeigt sich nämlich gerade unerbittlich: Von den knapp 83 Millionen Bundesbürgern ist bereits mehr als jeder Vierte über 60 Jahre alt. Der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe steigt bis 2050 auf 38 Prozent, rechnet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung vor.
Das Problem ist nicht neu: Der medizinische Fortschritt sorgt seit Jahrhunderten dafür, dass Menschen älter und damit möglicherweise pflegebedürftig werden. Bevölkerungsprognosen sagen seit Jahrzehnten voraus, dass eine Welle an Senioren auf das Land zurollt und zu wenige junge Menschen nachkommen. Das erschließt sich jedem, der bereits zu Schulzeiten einen Blick auf die Bevölkerungspyramide geworfen hat. Das einzig Überraschende daran ist, dass diese Erkenntnis für Heimträger und Staat noch überraschend zu kommen scheint.
Der Bund ist in Sachen Alterspolitik viel zu sehr im Blindflug unterwegs. Natürlich, dem Staat käme es nur zupass, wenn Bürger brav in die Sozialversicherungen einzahlen und sie mit dem Moment des Renteneintritts der Schlag trifft. Die Realität sieht bekanntermaßen anders aus: Derzeit pflegt die noch fitte Boomer-Generation ihre Eltern. Nicht wenige von ihnen werden jedoch bald selbst auf Pflege angewiesen sein. Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt bereits jetzt pflegebedürftig, Tendenz steigend.
Auf der anderen Seite stehen Pflegeheime, die entweder wie etwa der Convivo-Konzern pleite gehen oder schlicht chronisch unterbesetzt sind: Denn der Fachkräftemangel in der Pflege ist nicht nur viel zitiert, sondern real. Im Alltag der Pflege zwischen Bürokratie und Bettpfannenwechseln überleben lediglich die, die sich von Idealismus getrieben zum Wohle anderer aufopfern. Der Rest orientiert sich weit vor dem Renteneintritt entweder beruflich um oder wird im schlimmsten Fall berufs- oder gar erwerbsunfähig. Da hilft auch kein Applaus für Pflegekräfte wie seinerzeit während der Corona-Pandemie.
Die Aussichten sind beim Blick auf die Prognose des Statistischen Bundesamts düster: 280.000 Pflegekräfte fehlen bis zum Jahr 2049, sagen die Statistiker. Für die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigte Pflegereform ist es höchste Zeit. Denn es ist nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis der demografische Wandel mit aller Härte im Pflegebereich spürbar wird.