Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bei seinem Besuch in Israel und den Palästinensergebieten für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen. Die Bedingungen dafür zu schaffen, sei dringlich.
Laila und Dor sind ganz normale Teenager, 16 und 17 Jahre alt und ein Jahr vor ihrem Schulabschluss, doch an diesem sonnigen Vormittag werden sie kurz zu einem Hoffnungsschimmer für die Weltpolitik. Ihr Kinder- und Jugendtreff Givat Haviva, ein weitläufiges Gelände nördlich der israelischen Hauptstadt Tel Aviv, empfängt gerade einen Staatsgast: „Willkommen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier“, grüßt ein übergroßes Banner. Dem deutschen Bundespräsidenten werden einige der Projekte vorgeführt, die hier entstehen, und die Arbeit von Laila und Dor ist mit dabei.
Dass Steinmeier gerade Givat Haviva besuchte, hat dieser Tage Symbolkraft, denn hier werden seit Jahrzehnten junge Juden und Araber zu Bildungs- und Austauschprogrammen zusammengebracht. Als Keim für ein dauerhaft friedliches Zusammenleben. Und gerade weil es dafür derzeit nicht gut aussieht, wollte sich Steinmeier bei seinem ersten Israel-Besuch als Bundespräsident demonstrativ diesen Ort ansehen, an dem nun schon Generationen jüdischer und palästinensischer Schülern ihre Vorbehalte überwunden haben, indem sie miteinander lernen, kreativ sind oder gemeinsame Sommercamps verbringen.
Hunderte jüdische Schüler und Lehrer werden von hier aus in Austauschprogrammen in die streng getrennten arabischen Schulen in Israel gebracht und umgekehrt. „Wir haben dort gesehen“, wird Steinmeier später über den Besuch sagen, „wenn man sich bemüht, dann geht es.“
Ungewöhnliche Kontakte
Unter denen, die sich bemühen, sind auch Laila Kabha, 16, eine zierliche Palästinenserin mit Locken, großer Brille und Zahnspange, und Dor Nussbaum, 17, ein stämmiger Jude mit ersten Bartstoppeln und deutschen Wurzeln. Sie erklären Steinmeier ihr Fotoprojekt, für das sie mit jüdischen und arabischen Freunden die gegenseitigen Vorurteile thematisiert haben.
Und Mühe war das tatsächlich, denn weder ihre Eltern, noch ihre Freunde waren begeistert von den ungewöhnlichen Kontakten. Steinmeier fragt nach, am Ende seines Besuches nennt er Givat Haviva eine „Insel der Hoffnung“: „Während die Politiker bei der Zwei-Staaten-Lösung versagen, haltet ihr das Fenster zu einer Lösung offen.“ Schon jetzt wird die Begegnungsstätte von Deutschland finanziell unterstützt, Steinmeier verspricht, sich für eine Aufstockung einzusetzen.
Kontrastprogramm in Ramallah
So wirft der symbolische Besuch ein Schlaglicht auf den stockenden Friedensprozess, auf die festgefahrene Lage in Israel – aber auch auf Deutschlands Rolle darin. Zugleich muss sich auch Steinmeier, der als Außenminister jahrelange Erfahrung im Nahen Osten gesammelt hatte, neu erfinden. Kommt es ihm als repräsentatives Staatsoberhaupt überhaupt zu, sich als Vermittler anzubieten? Er selbst ist da skeptisch. Aber sowohl Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu als auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begrüßen ihn als alten Bekannten, auf den man weiter setzt.
Am nächsten Morgen das Kontrastprogramm zum lockeren Besuch im Givat Haviva: Über dem Amtssitz von Präsident Abbas in Ramallah wehen deutsche und palästinensische Flaggen, Soldaten und Militärkapelle stehen bereit, eine Hauswand zeigt den langjährigen früheren Palästinenserführer Jassir Arafat und kleiner davor seinen Nachfolger Abbas.
Bevor Bundespräsident Steinmeier ihn trifft, legt er einen Kranz am Grab des 2004 verstorbenen Arafat ab. Anders als über Treffen mit Menschenrechtsgruppen beklagt sich Israels Regierung darüber nicht offen – obwohl Netanjahu Steinmeier am Sonntag sehr wohl die Beschwerde über die Hetze der islamistischen Hamas mitgab: „Gerade erst haben sie den Anschlag von München auf Facebook als Heldentat bezeichnet!“ In den Terror von 1972 war auch Arafat verwickelt.
Die Deutschen können immerhin darauf verweisen, dass Steinmeier auch die Gräber von Jitzchak Rabin und Schimon Peres besuchte, die 1994 mit Arafat den Friedensnobelpreis erhielten, „für ihre Anstrengungen zur Lösung des Nahostkonflikts“. Die ist seitdem nicht nähergerückt, im Gegenteil: Die Ausweitung des jüdischen Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten lässt kaum Raum für einen eigenen Palästinenserstaat, weder politisch noch geografisch.
In Ramallah besucht Steinmeier eine Krankenpflege-Ausbildungsstätte für Palästinenser, die von Deutschland mitfinanziert wird. Die Azubis erzählen von den Mühen der Besatzung und den unberechenbaren Grenzkontrollen auf dem Weg zur Arbeit in den Kliniken Jerusalems – aber auch davon, dass jeder Absolvent einen gut bezahlten Job findet.
Steinmeier strahlt Ruhe aus
Gegenüber Abbas lobt Steinmeier das Projekt als vorbildlich: Deutschland wolle mit Entwicklungshilfe und dem Aufbau von zivilen Einrichtungen und Infrastruktur an einer Perspektive für Palästina arbeiten. Abbas geht es vor allem um die ungleich schwierigere Mission: Einen eigenen Staat „in den Grenzen von 1967 und mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt“, wie er betont, „damit wir mit unseren Nachbarn sicher und in Frieden leben können.“
Steinmeier strahlt Ruhe aus, aber seine Worte klingen alarmistisch: Auch er sieht das als „einzige verhandelbare Lösung“. Nach vielen ergebnislosen Bemühungen sei es „inzwischen dringlich geworden, an den Voraussetzungen für eine Zwei-Staaten-Lösung zu arbeiten“.
Allen Beteiligten ist klar, dass die Aussichten schwinden – auch, weil die Palästinenser nicht mit einer Stimme sprechen und Abbas, inzwischen 82, wegen des Streits zwischen seiner gemäßigteren Fatah-Partei und der islamistischen Hamas unter Druck steht. Ähnlich geht es Netanjahu in Israel: Nach einem Rechtsruck der Gesellschaft, den er durch eine Politik der Angst selbst mit herbeiführte, ist die Bereitschaft zum Kompromiss auf einem Tiefpunkt.
Hoffnungen liegen bei Trump
Sowohl bei Israeli wie Palästinensern richten sich nun viele Hoffnungen ausgerechnet auf einen Mann, der sonst eher als Unsicherheitsfaktor gilt: Donald Trump. Abbas, der den US-Präsidenten vor wenigen Tagen in Washington traf, berichtet Steinmeier von seinen Gesprächen, die ihm nach Trumps einseitig pro-israelischen Wahlkampfversprechen Hoffnung geben.
In zwei Wochen komme Trump nicht nur nach Israel, sondern auch zu Abbas nach Bethlehem. Ähnlich hatte sich Israels Oppositionsführer, Yitzhak Herzog, in seinem Gespräch mit Steinmeier am späten Montagabend geäußert: Vielleicht bringe ja gerade Trumps unkonventionelle Art neue Impulse.