Dresden. Draußen vor dem Haupteingang wummert laute Musik der protestierenden Antifa aus Dresden und Leipzig. Drinnen, im Hochsicherheitstrakt, haben gerade zwei Sprengstoffspürhunde in der Damentoilette angeschlagen. Die Polizei findet nichts. Entwarnung. „Vermutlich ein Gummipflegemittel“, sagt ein Polizist. Tag eins im Terroristenprozess in Dresden. Das Gebäude des Oberlandesgerichts am nördlichen Stadtrand neben dem Gefängnis, ursprünglich als Kantine eines Flüchtlingsheimes geplant, ist in Nullkommanichts für 5,5 Millionen Euro zu einem Hochsicherheitsgericht umgebaut worden. Weil kein Gericht in Dresden ausreichend Platz und Sicherheit bot. Ein neues Haus, nur für diesen Prozess.
Am Dienstag hat er begonnen, 90 Zeugen werden befragt, 62 Tage bis mindestens Ende September soll er dauern: Angeklagt sind sieben Männer und eine Frau aus dem sächsischen Freital, zwischen 19 und 39 Jahre alt. Ihnen wird von der Bundesanwaltschaft versuchter Mord und die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen Sprengstoffanschläge auf zwei Flüchtlingsheime, mehrere Politiker und ein linkes Wohnprojekt in Dresden begangen haben. Spätestens seit Juli 2015 sollen sie die rechtsterroristische „Gruppe Freital“ gebildet haben.
Zwei Rädelsführer
Chatprotokolle verrieten sie, einige Angeklagte legten Geständnisse ab. Rädelsführer sind laut Einschätzung der Ermittler der aus Hamburg stammende Busfahrer Timo S. und Patrick F. aus Dresden. Mit ihren Anschlägen auf Flüchtlinge und politisch Andersdenkende hätten die Angeklagten „ein Klima der Angst und der Repression schaffen“ wollen, sagt Bundesanwalt Jörn Hauschild. Zumindest bei einem Anschlag hätten die Beschuldigten auch „den Tod von Menschen“ in Kauf genommen“.
Tag eins beginnt hitzig, es wird der Tag des Geplänkels zwischen Verteidigern und Gericht. Der Auftakt in solchen Verfahren ist meist von juristischen Tricks geprägt: Es geht darum, Gründe zu schaffen, um erfolgreich in der nächsten Gerichtsinstanz zu punkten. Es hagelt Befangenheitsanträge. Ein Anwalt stellt sie, die Kollegen der anderen sieben Angeklagten stimmen meistens zu. Die Verhandlung hat gerade begonnen, da fährt Verteidiger Endrik Wilhelm dem Vorsitzenden Richter Thomas Fresemann gewaltig dazwischen: „Sie brechen das Gesetz, und zwar vorsätzlich.“ Ein heftiger Streit hat sich an der Frage entzündet, ob die Verteidiger vor der Verlesung der Anklageschrift Anträge stellen dürfen oder erst danach. Wilhelm und Kollegen würden gerne vor der Verlesung, Fresemann erlaubt es nicht.
Danach hagelt es Befangenheitsanträge gegen ihn, den Vorsitzenden Richter, aber auch gegen den ganzen 4. Senat, der eigens gegründet wurde, um dieses Mammutverfahren abzuwickeln. Die Verteidiger fürchten eine „gezielte Steuerung“ des Verfahrens durch „ausgewählte Richter“. Sie sprechen von „Misstrauen“. Anwalt Wilhelm hält das gesamte Verfahren in seinen Ausmaßen für „völlig überzogen“.
Es ist ein nervöser Prozessauftakt unter extremen Sicherheitsvorkehrungen wie an europäischen Großflughäfen. Noch einen Tag zuvor hatten Unbekannte Hakenkreuze auf die Betonquader geschmiert, die das Gericht zur Straße sichern. Im Zuschauerraum hocken deutlich erkennbar Sympathisanten der Angeklagten. Eine Anwältin der Nebenkläger fordert das Gericht vergeblich auf, drei von ihnen aus dem Saal zu werfen, weil ihre Anwesenheit „schädlich“ sei für das Verfahren. Möglicherweise müssten einige noch selbst auf die Anklagebank oder in den Zeugenstand.
Die Angeklagten sagen nichts, sie verweigern bis auf einen auch alle Angaben zur Person. Allein die Frau unter ihnen lässt ihren Anwalt Wilhelm eine Erklärung abgeben: Seine Mandantin Maria K. bereue die Taten. Sie habe „Schuld auf sich geladen“ und „distanziert sich deutlich von dem, was sie getan hat“, sagt Wilhelm. „Sie würde die Taten am liebsten ungeschehen machen.“