Seine Prioritäten hätte Donald Trump kaum deutlicher setzen können: Der US-Präsident nahm sich am Sonntag Zeit für eine Runde Golf, spielte trotz typisch schottischem Sommer-Regenwetter vor windzersausten Dünen 18 Löcher – und traf erst am Abend EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in seinem Luxusressort Turnberry. Eine Stunde Verhandlungen, das sollte genügen. Und tatsächlich verkündete der Republikaner am Abend ein Zollabkommen, das er mit gewohnter Vorliebe zur Übertreibung als „das großartigste von allen“ pries.
Die Grundsatzvereinbarung beruhigt den eskalierenden Zollstreit zumindest fürs Erste. Statt der angedrohten 30 Prozent soll der Zollsatz auf die meisten EU-Importe bei 15 Prozent liegen, auch auf Fahrzeuge. Damit werden die Autozölle von derzeit 27,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt, was insbesondere Deutschland zugute kommt. Doch Jubelrufe waren am Montag weder in Brüssel noch in den europäischen Hauptstädten zu vernehmen. Und die Vereinigten Staaten können ihre Produkte künftig zollfrei auf dem alten Kontinent verkaufen.
Für die Entschärfung des Konflikts ist die EU-Kommission weit auf die US-Amerikaner zugegangen – und weg von jenem Null-für-Null-Zölle-Angebot, das sie sich ursprünglich erhofft hatte. Um Zugeständnisse der Amerikaner zu erzielen, zahlt Europa nun sogar noch drauf: Denn Brüssel stimmte zu, in den nächsten drei Jahren für 750 Milliarden Dollar Energie aus den USA zu beziehen und zusätzlich 600 Milliarden Dollar mehr als geplant in den USA zu investieren.
Von der Leyen versuchte zwar, den Kompromiss als Erfolg zu verkaufen. Mit den Einkäufen in den nächsten drei Jahren, also während Trumps Amtszeit, werde die Union ihre Versorgungsquellen diversifizieren und zur Energiesicherheit in Europa beitragen. Doch überzeugend klang das nicht. Der Sieger der Sticheleien, Streitereien und des Säbelrasselns in den vergangenen Monaten heißt Donald Trump.
Obwohl bei den EU-Spitzen Erleichterung zu spüren war darüber, dass kurz vor knapp ein Handelskrieg mit dem wichtigsten Partner abgewendet worden ist, herrschte auch Ernüchterung. Hätte die EU – als größter Handelsblock der Welt – nicht bessere Bedingungen aushandeln können, wenn die Gemeinschaft von Anfang an entschlossener und selbstbewusster aufgetreten wäre? War es rückblickend ein Fehler, anders als China nicht sofort mit Härte und entsprechenden Gegenmaßnahmen zu reagieren?
Ein Brüsseler Diplomat klagte am Sonntagabend hinter den Kulissen über einen „Tag der Demütigung“ für die EU – und das lag nicht nur daran, dass von der Leyen Trump beim Treffen vor den Kameras als „harten Verhandlungsführer und Dealmacher“ lobte. Sie stimmte dem Amerikaner auch noch zu, als dieser darauf bestand, „fair“ zu sein. Nicht umsonst sprachen am Montag etliche Insider von einer Kapitulation der EU.
Vor zwei Wochen erst hatte der US-Präsident mit einem Drohbrief nachgelegt. Die Vereinigten Staaten würden ab 1. August auf Einfuhren aus der EU einen Basiszoll in Höhe von 30 Prozent erheben, falls die Gespräche scheiterten. In diesem Kontext darf von der Leyens Kommentar vom Sonntagabend verstanden wissen: „Wir sollten nicht vergessen, wo wir herkommen.“ Der Europaparlamentarier Bernd Lange (SPD) bezeichnete die Einigung aber als „Deal mit Schlagseite“. 15 Prozent Sonderabgaben auf alle EU-Einfuhren in die USA bedeuteten „eine Vervierfachung der bestehenden durchschnittlichen Zollsätze“.
Trump betrachtet die EU als Schmarotzer, die vom lukrativen US-Markt profitiere, und schimpft regelmäßig, die Union sei gegründet worden, „um die USA übers Ohr zu hauen“. Aber die Gemeinschaft hatte Trumps „Mafiamethoden“, wie es ein Diplomat nannte, kaum etwas entgegenzusetzen – im Gegenteil: Sie hat sich politisch erpressbar gezeigt. So nahm in Brüssel die Sorge zu, Trump könnte bei mehr Gegenwehr die Nato-Beistandspflicht infrage stellen oder aber die Unterstützung für die Ukraine reduzieren. Im Bereich der Verteidigung hängt Europa existenziell von den Amerikanern ab – die Quittung steckt in dieser Zollvereinbarung.