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Bovenschulte zu den US-Zöllen "Das ist kein Zolldeal, das ist ein Zolldiktat"

Die bremische Wirtschaft hängt in besonderer Weise vom USA-Geschäft ab. Was Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) von der Zollvereinbarung der EU mit den USA hält.
28.07.2025, 17:31 Uhr
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Von Christoph Barth

Herr Bovenschulte, die EU und die USA haben sich im Zollstreit geeinigt. Was bedeutet das Übereinkommen für die Bremer Wirtschaft?

Andreas Bovenschulte: Aus Bremer Sicht ist das keine gute Einigung, denn insbesondere die Stahlindustrie droht dem unbedingten Wunsch der EU nach einer Einigung mit den USA geopfert zu werden. Anders kann man das nicht sehen, denn die jetzt vereinbarten 15 Prozent auf Exporte in die USA gelten ja ausdrücklich nicht für die Stahlindustrie – da bleibt es bei 50 Prozent. Das ist für uns in Bremen und in Deutschland insgesamt ein schwerer Schlag ins Kontor. Zum einen, weil es den Export von Stahl in die USA erschwert, vor allem aber wegen der damit verbundenen Umleitungseffekte auf den internationalen Märkten: Der Importdruck auf die europäische Stahlindustrie wird weiter zunehmen.

Arcelor-Mittal sagte bislang stets, dass aus dem Bremer Werk kaum Stahl in die USA exportiert wird.

Das ist aber auch nur der kleinere Teil des Problems. Die Frage ist doch: Was macht die Zollpolitik mit der deutschen und europäischen Stahlindustrie insgesamt? Es wird zu weiteren Verschiebungen auf den Weltmärkten kommen und zu verstärkten Importen von billigem Stahl aus Asien. Für mich steht fest: Die Stahlindustrie ist das prominenteste Opfer der jetzt getroffenen Vereinbarung, und das trifft eine Branche, die ohnehin schon enorm unter Druck steht. Insofern ist das ein schlechter Deal für die Stahlindustrie insgesamt und ein schlechter Deal für Bremen. Ich mache mir wirklich große Sorgen um die Hütte und die dort arbeitenden Kolleginnen und Kollegen.

Hat die EU also schlecht verhandelt?

Die EU hat um des lieben Friedens willen klein beigegeben. Man hat eine Unterwerfungserklärung unterzeichnet in der Hoffnung, dass der Sturm dann an einem vorbeizieht. Das ist kein Zolldeal, sondern ein Zolldiktat.

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Wie sieht es mit der Autoindustrie aus? Mercedes spricht immerhin von einer "Erleichterung" gegenüber dem Status quo – 15 Prozent statt 27,5 auf Autoexporte. Was heißt das für das Bremer Werk?

Das Problem ist doch: Während auf Autos, die hier hergestellt werden und in die USA gehen, künftig 15 Prozent Zoll erhoben werden, gilt das umgekehrt nicht. In den USA hergestellte Fahrzeuge können zollfrei nach Europa exportiert werden. Es ist deshalb zwar noch lange nicht ausgemacht, dass Automobilfirmen nur noch in den USA und nicht mehr in Europa investieren, aber die unterschiedlichen Zölle werden bei künftigen Investitionsentscheidungen ohne Frage eine Rolle spielen. Sie sind ein klarer Anreiz, die Produktionsstätten mittelfristig zu verlagern. Der US-Präsident hat da brutal die amerikanischen Interessen durchgesetzt.

Das heißt, auch um die Arbeitsplätze im Bremer Mercedes-Werk muss man sich Sorgen machen?

Kurzfristig sicherlich nicht, aber mittelfristig wahrscheinlich schon. Das ist allerdings kein spezifisches Bremer Problem, sondern betrifft die deutsche Automobilindustrie insgesamt. Da sind Tausende Arbeitsplätze in Gefahr.

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Die Handelskammer hat in der vergangenen Woche ein Gutachten vorgelegt. Danach halten sich die Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Bremer Wirtschaft mittelfristig in Grenzen, wenn es gelingt, auf andere Märkte auszuweichen. Bietet das "Zolldiktat", wie Sie es nennen, also auch Chancen?

Wir sollten ja jetzt nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren. Wenn es uns gelingt, andere Märkte zu erschließen, den EU-Binnenmarkt weiter auszubauen und mit Macht in neue Technologien zu investieren, auch im Bereich der Verteidigung, dann brauchen wir uns in der Tat um den Standort Bremen keine Sorgen machen. Was uns aber spätestens jetzt klar sein muss: Es gibt keinen "großen Bruder" mehr jenseits des Atlantiks, der unser Wohlergehen mit im Blick hat – das ist endgültig vorbei. Das heißt nicht, dass wir uns von der Zusammenarbeit und dem Handel mit den USA verabschieden sollten. Aber damit wir auf Augenhöhe kooperieren können, müssen wir vor allem unsere technologische Souveränität zurückgewinnen: in der Raumfahrt, bei der künstlichen Intelligenz, bei der Robotik und vielem mehr. All das haben wir hier in Bremen, und deshalb können wir dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.

Das Gespräch führte Christoph Barth.

Zur Person

Andreas Bovenschulte
ist SPD-Politiker und Jurist. Seit 2019 ist er Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen.

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