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Mobilitätskonzepte Zwischen Digitalisierung und Dieselkrise

Diesen Mittwoch und Donnerstag findet in Berlin zu dem Thema „Digitales trifft Reales“ der Logistik-Kongress statt. Doch viele in der Branche machen sich mehr Gedanken um die aktuelle Debatte um den Dieselmotor
17.10.2018, 22:50 Uhr
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Zwischen Digitalisierung und Dieselkrise
Von Steven Geyer

Angesetzt war das Zukunftsthema des 21. Jahrhunderts, doch zunächst warf erst einmal eine Technik von 1897 ihre Schatten auf die Großveranstaltung in Berlin. Denn während sich der bundesweit größte Logistik-Kongress an diesem Mittwoch und Donnerstag in Berlin offiziell dem Thema „Digitales trifft Reales“ widmen sollte, ängstigt viele in der Branche vor allem eine sehr aktuelle Debatte: die um den Diesel-Motor.

Kein Wunder: Das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass der Güterverkehr hierzulande bis 2030 um gut ein Drittel steigen wird, allein Lkw sollen dann fast 47 Milliarden Kilometer zurücklegen. Die meisten Lieferketten kommen längst nicht ohne die Straße als Verkehrsweg aus, und die Schwerlastfahrzeuge fahren überwiegend mit Diesel.

2030 noch rund 85 Prozent der Verkehrsleistung vom Diesel abhängig

Und glaubt man der deutschen Industrie, wird das auch jahrzehntelang so bleiben. So stellte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, auf dem Kongress eigene BDI-Berechnungen vor, laut denen auch im Jahr 2030 noch rund 85 Prozent der Verkehrsleistung mit schweren Nutzfahrzeugen vom Diesel abhängt.

Der Wert könne bis 2050 auf rund 38 Prozent sinken, falls sich alternative Antriebsarten auch im Schwerlastverkehr durchsetzten. Für Kempf ist aber längst nicht ausgemacht, dass der Diesel ein Auslaufmodell ist, wie man seit dem Dieselskandal und der Debatte um Fahrverbote und Hardware-Nachrüstungen immer wieder höre.

Kritik an Umweltverbänden und Politik

„Das Rennen um die beste Technologie im Verkehr ist noch offen“, betonte Kempf. Es sei nicht zu erwarten, dass der Verkehrssektor zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden kann. „Von zentraler Bedeutung bleibt die Effizienzsteigerung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.“ Entsprechend hart ging der BDI-Chef mit Politik und Umweltverbänden ins Gericht, die mit „immer neuen Forderungen die Bürger verunsichern und eine Technologie schlechtreden, ohne dass ihnen marktfähige Alternativen zur Verfügung stehen“, so Kempf. Es wäre „grob fahrlässig“, den Dieselantrieb „leichtfertig als überholte Technologie zu kritisieren“, erklärte er. „Deutschland braucht den Dieselkraftstoff auch in Zukunft, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen.“

So äußerte sich auch der Verbandschef der Automobilindustrie, Bernhard Mattes, der ebenfalls als Gastredner die EU aufforderte, bei ihrer anstehenden Regulierung des CO2-Austoßes von Lastwagen „den Bogen nicht zu überspannen“: „Natürlich ist es richtig, dass Europa ambitionierte Klimaziele verfolgt“, so Mattes. „Zugleich dürfen wir uns nicht weiter von dem entfernen, was technologisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist.“

Andernfalls seien Betriebe und Arbeitnehmer in Gefahr. Etliche der 3000 Teilnehmer, die der Einladung der Bundesvereinigung Logistik (BVL) als größtem Branchenverband nach Berlin gefolgt waren, hörten die Worte mit gemischten Gefühlen.

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Denn einerseits hat das große Interesse gute Gründe: Die Sparte gehört in Zeiten von globalem Warenverkehr, aber auch wachsendem Versandhandel zu den führenden Boom-Branchen auch in der Bundesrepublik. Er sei „stolz auf die deutsche Logistikbranche“ erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in seiner Rede zum Auftakt. Dass Deutschland wirtschaftlich so gut dastehe, liege nicht zuletzt an der hiesigen Logistikbranche. „Ohne sie geht nichts in der Exportnation Deutschland.“ Doch andererseits ist die Branche nicht nur in Feierlaune.

Denn obwohl die Digitalisierung aller Lebensbereiche zu den Ursachen ihres jahrelangen Wachstums zählt, kann gerade das auch zur Belastung werden. So zählte BVL-Vorstandschef Robert Blackburn eine ganze Liste aktueller Sorgen auf: „Nicht hinreichende physische und digitale Infrastruktur, Fahrermangel, Laderaumverknappung und weltpolitische Unsicherheiten stellen Logistiker aus Industrie, Handel und Dienstleistung vor große Herausforderungen.“ Hinzu kämen oft genug unberechenbare Märkte und ein deutscher Fachkräftemangel „mit Ansage“.

Es sei ja unstrittig, dass die Digitalisierung „beeindruckende Werkzeuge“ für die Vernetzung von Mensch und Maschine oder beim Einsatz intelligenter autonomer Systeme schaffe, so Blackburn. Er halte es allerdings nicht für ausgemacht, ob und wie diese Technologien kurz- und mittelfristig tatsächlich helfen können, die akuten Probleme der Branche zu lösen.

"Ordnungsrahmen für die digitale Welt"

Wirtschaftsminister Altmaier zeigte sich da optimistischer: Die Bundesregierung fördere Innovationen und Investitionen in vielen Bereichen, von denen auch die Logistikfirmen profitierten: Künstliche Intelligenz, die Ausbildung und Ansiedlung von Fachkräften, Deutschland zum internationalen Knotenpunkt für Mobilität zu machen und einen „Ordnungsrahmen für die digitale Welt“ zu schaffen.

Die Logistik werde immer mehr zur High-Tech-Branche und zur bewegenden Kraft der digitalisierten Industrie der Zukunft, so Altmaier: Aus Staplern würden autonome Fahrzeuge, aus Paletten „cyber-physische Systeme“ und die klassische Transport- und Warenwirtschaft werde zur „Plattformökonomie“.

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