Herr Baumheier, eines der dringendsten Probleme in Bremen ist der akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Welche Projekte oder Konzepte halten Sie für besonders sinnvollsten, um die Wohnungsnot effektiv bekämpfen zu können?
Ralph Baumheier: Seit Ende 2020 gilt für die Stadt Bremen der Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 („STEP Wohnen 2030“) als tragende Säule der strategischen Neupositionierung der Bremischen Wohnungspolitik. Daneben richten sich die Städte Bremen und Bremerhaven selbstverständlich gleichermaßen nach den gültigen Zielen und Maßnahmen des Koalitionsvertrages. Mit dem „STEP Wohnen 2030“ verfügt Bremen über eine gesamtstädtische wohnungspolitische Handlungskonzeption, mit der den aktuellen sowie zukünftigen Herausforderungen begegnet werden soll. Neben Klimaschutz und Klimaanpassung gehört dazu auch das Ziel, alle Menschen mit ansprechendem, bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum zu versorgen. Bremen soll ein attraktiver Wohnstandort für alle sein. Im „STEP Wohnen 2030“ werden Handlungsfelder, Maßnahmen und Instrumente für das Wohnen in der Stadt Bremen benannt, mit denen wir diese Ziele erreichen können. Bezüglich der bundespolitischen Zielsetzung, die seitens Bremens geteilt wird, gibt es eine enge Kooperation und einen engen Austausch auf unterschiedlichen Wegen: zum einen über die Bauministerkonferenz und zum anderem über die Bund-Länder-Förderprogramme. Hier werden gemeinsam jedes Jahr Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern und im Rahmen des Bundesbündnisses für bezahlbaren Wohnraum geschlossen.
Welche Ansätze verfolgen Sie diesbezüglich konkret?
Um etwa die Baukosten zu senken, können unter anderem Verfahrenvereinfachungen, sowie die Absenkung und/oder Streichung von Normen und Standards zum Einsatz kommen. Die Länder arbeiten hier derzeit an entsprechenden Erleichterungen beispielsweise in Bezug auf die Musterbauordnung. Auch die Einführung eines Gebäudetyps „E“ ist für Bremen eine Option, die aktuell geprüft wird. Eine angepasste Grundstücksvergabe und eine aktive Bodenpolitik sind ebenfalls Beiträge zur Senkung der Baukosten. Ein weiterer Hebel dafür sind die Frage der Zinsen und die derzeitige größere Zurückhaltung der Kreditinstitute bei der Kreditvergabe. Weitere Punkte betreffen die Stärkung der bestehenden Förderinstrumente und Schaffung von Planungssicherheit, die Förderung des gemeinschaftlichen Wohnens und von Genossenschaften, die Schaffung und den Erhalt von Wohnraum im Bestand sowie eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen. Darüber hinaus ist eine Verlässlichkeit und Orientierung bezüglich der zukünftigen Energie- und Wärmeversorgung durch eine kommunale Wärmeplanung wichtig.
Im vergangenen Jahr wurden rund 200 Sozialwohnungen in Bremen fertiggestellt. Wie viele sind es in diesem Jahr bisher – und wie viele sollen es perspektivisch in den kommenden Jahren werden?
2023 werden voraussichtlich 640 geförderte Wohnungen fertiggestellt. Das sind in diesem Jahr mehr Wohnungen als aus der Bindung fallen. In den kommenden Jahren wird nach aktuellem Kenntnisstand eine größere Zahl an Wohnungen fertiggestellt, unter anderem auf der Überseeinsel und im Hulsberg-Viertel.
Sollen die Investitionen beziehungsweise die Förderungen in dem Bereich erhöht werden?
Die Förderung wird regelmäßig – teilweise jährlich – angepasst und neu zugeschnitten. Mit dem „Landesförderprogramm 2022“ wurde ein neues Projekt mit einem Volumen von etwa 50 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Die 30-Prozent-Quote bei Neubauten wird in der Legislaturperiode 2023 bis 2027 fortgeführt. Ergänzend zur Neubau- und Modernisierungsförderung stehen Mittel zur Verfügung, um auslaufende Mietpreis- und Belegungsbindungen zu verlängern. Zudem enthält das Landesprogramm erstmalig einen Förderweg für Wohnungen im „mittleren Preissegment“, der zunächst als Pilot gestartet wird. Die anfänglich zulässige Miete beträgt 9 Euro pro Quadratmeter. Dies soll dazu dienen, dass sich auch Haushalte mittleren Einkommens am Wohnungsmarkt ausreichend mit erschwinglichem Wohnraum versorgen können. Bei diesen handelt es sich um Personen, denen am Markt nicht ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, die aber aufgrund ihres Einkommens keinen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. Ein neues Wohnraumförderprogramm ist in Aufstellung, und 2024 soll die Wohnraumförderung auch vor dem Hintergrund der dann verlässlich bekannt gegebenen Bundesförderungen zur Energieeffizienz und Klimaneutralität neu ausgerichtet werden. Eine wichtige Zielsetzung des neuen Programms ist die Neuaufstellung der Modernisierungsförderung mit Fokus auf energetische Maßnahmen. So soll in Zukunft klimafreundlicher, preisgebundener Wohnraum im Bestand zur Verfügung gestellt werden.
In Bremen mangelt es an Bauland. Gibt es überhaupt noch Flächen, die für den sozialen Wohnungsbau infrage kämen – und welche wären das?
Die Stadt Bremen verfügt über ausreichend Potenzialflächen, um die erwartete Neubaunachfrage bis 2030 bedienen zu können. Die Voraussetzungen für die kurz- bis mittelfristige Schaffung von mehr als 10.000 zusätzlichen Wohnungen in Bremen liegen also grundsätzlich vor. Der Bericht zur Flächenbereitstellung „Wohnbauflächen in Bremen“ (Flächenbericht 2021) weist ein grundsätzliches Potenzial für den Neubau von fast 30.000 Wohnungen auf, davon circa 10.000 Wohnungen allein durch Bautätigkeit in den Beständen – also Ausbau, Umbau und so weiter. In den letzten Jahren wurden rund 1450 Wohnungen pro Jahr in der Stadt Bremen fertiggestellt. Für den Zeitraum bis 2030 gehen wir von einer Nachfrage von durchschnittlich rund 1425 Neubauwohnungen pro Jahr aus – davon drei Viertel für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und diese überwiegend als Mietangebote.
Gerade Menschen mit geringem Einkommen können sich die steigenden Mieten in der Stadt häufig nicht leisten. Sie sind ebenso auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum wie beispielsweise Geflüchtete. Die Nachfrage ist daher groß. Ist der Markt in Bremen schon kollabiert?
Der Markt ist in bestimmten Teilräumen – vor allem innerstädtische und an Innenstadt angrenzende Quartiere – sowie in bestimmten Segmenten wie kleinen Wohnungen angespannt. Das Angebot an verfügbaren Mietwohnungen ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, von 2021 bis 2022 um über 20 Prozent. Die Fluktuationsquote liegt deutlich unter zehn Prozent, was auf einen angespannten Wohnungsmarkt hinweist. Die Angebotsmieten sind weiter gestiegen, von 2021 auf 2022 um sieben Prozent auf 9,78 Euro pro Quadratmeter (Median Nettokaltmiete). Damit sind sie im Vergleich mit anderen Großstädten noch moderat. Es gibt insbesondere an den Stadträndern auch noch günstige Wohnungen. So wird zum Beispiel im Stadtteil Blumenthal jede vierte Wohnung für unter 7 Euro pro Quadratmeter netto kalt angeboten. Der Wohnungsmarkt ist aufgrund seiner Struktur – hohe Eigentümerquote, starke Partner im Wohnungsbau, breite Diversifizierung – bisher relativ robust. Von einem Kollaps des Marktes kann und sollte daher nicht gesprochen werden.
Finden sich neben städtischen Unternehmen noch andere Investoren, die für bedürftige Menschen bauen?
Bei jedem Wohnungsbauprojekt über 20 Wohnungen und neu geschaffenem Baurecht greift die 30-Prozent-Quote, sodass im Neubau auch weiterhin Potenziale für Sozialwohnungen vorhanden sein werden. Die Quote gilt für alle Investoren. Teilweise schließen private Investoren eine Vereinbarung mit der Gewoba zur Übernahme der anteiligen Sozialwohnungen, wenn sie beispielsweise nicht selbst als Bestandshalter tätig sind. Die Zahl der Baugenehmigungen ist in der Stadt Bremen zwischen 2022 und 2021 eingebrochen, und zwar von 2082 auf 1467. Dies entspricht der deutschlandweiten Entwicklung. Bei den Baufertigstellungen ist derzeit noch kein Einbruch festzustellen – sie lagen dagegen in den beiden vergangenen Jahren jeweils bei 1388.