Schon beim ersten Betrachten des Audi R8 Spyder fragt man sich eines: Warum zum Teufel ist der so klein!? Selbst Personen um die 1,70 Meter müssen sich schon kräftig bücken, um den Kofferraum (der übrigens vorne ist) zu öffnen.
An diesem Audi ist ohnehin alles anders als bei anderen Modellen der Marke. Es gibt hier keinen Quattro-Allradantrieb – gibt es schon, aber nicht beim getesteten RWD. Viel Platz ist ebenfalls nicht vorhanden und von Infotainment-Feuerwerk kann hier keine Rede sein. Trotzdem weckt dieses Fahrzeug Begehrlichkeiten.
Die extrem flache Front kommt mit schmalen Scheinwerfern daher, die dem Spyder einen fokussierten Blick verleihen. Die Seitenpartie zeigt sich flunderartig-flach und wir empfehlen, die Side Blades unbedingt in einer Kontrastfarbe zu bestellen. Bei unserem Testwagen sind sie in Wagenfarbe lackiert und somit geht ein Teil des dynamischen Auftritts unter. Dafür kommen die großen 20-Zöller standesgemäß zur Geltung.
RS-typische Endrohre
Am Heck zeigt der Audi entsprechende Potenz. Und das nicht nur mittels der RS-typisch riesigen ovalen Endrohre, sondern auch dank der schieren Breite. Der R8 steht stramm auf dem Asphalt und man könnte schon erahnen, dass er quasi mit der Straße verschmelzen möchte. Leider kann man vom Herzstück des R8, dem V10-Sauger, wenig erkennen. Durch die Dachkonstruktion bleibt einem der Blick aufs heilige Aggregat verwehrt. Schade.

Sein flaches Design zeichnet den R8 unter anderem aus.
Doch einmal eingestiegen und die Melancholie ist schneller verflogen als der Parfumduft bei geöffnetem Verdeck. Fahrerzentriert – das war hier die Devise. Statt eines Zentralbildschirms hat man beim R8 das gesamte Infotainment ins Cockpit gelegt, was für Novizen durchaus etwas Eingewöhnung erfordert. Ist die erfolgt, gelingt die Bedienung richtig gut und man vermisst weder Zentral- noch Head-up Display. Nur der Beifahrer hat das Nachsehen. Ihm bleibt nur der Blick auf RWD-Plakette. Oder besser noch: der pure Genuss des Fahrens.
Start mit dem feuerroten Knopf
Ein Druck auf den feuerroten Startknopf und der V10 erwacht zum Leben. Leise starten liegt ihm nicht, er brüllt herrlich kräftig einmal alle Leitungen frei, bevor er in einen fast ruhigen Beat übergeht. Der kann übrigens variabel über eine Taste am Lenkrad gesteuert werden.

Statt eines Zentralbildschirms hat man das gesamte Infotainment ins Cockpit gelegt.
Die ersten Kilometer sind schon Geschichte und der R8 vermittelt sogleich Souveränität und Komfort. Passt nicht? Dachten wir uns auch, doch dieser Mittelmotor-Supersportwagen ist weit entfernt von unbequem oder martialisch. Vielmehr hat er mehr GT-Qualitäten zu bieten, als manch größeres Fahrzeug.
Das ändert sich erst, wenn der Fahrer es will. Ein Druck auf das Knöpfchen mit der Zielflagge und der R8 mutiert zum Stier. Ein wildes Crescendo verlässt die üppig dimensionierten Endrohre und der Fahrer ist nun noch näher am Geschehen. Willig dreht der frei atmende Zehnzylinder bis jenseits der 8.000 Touren, um dann gierig und mit einem Schnauben in den nächsten Gang zu wechseln. Das passiert nun so abrupt, dass man meinen könnte, das Getriebe wurde zwischendurch ersetzt.
Sportlich in der Kurve
Wilde Kurvenfahrten? Kann er. Und was ist jetzt mit dem Heckantrieb? Nun ja, der RWD fährt sich geringfügig anders als der Quattro, der im Übrigen auch 50 PS mehr leistet. Das kann der Hecktriebler zwar auch durch sein niedrigeres Gewicht nicht wieder wettmachen, dafür fährt er sich puristischer. Im Normalbetrieb ist von der Antriebsart wenig zu spüren, doch wenn man es drauf anlegt, kann man mit diesem R8 auch den ein oder anderen Heckschwänzler provozieren, der je nach Talent des Fahrers auch im astreinen Drift endet – oder eben in der Leitplanke, also besser nur auf abgesperrten Strecken probieren.
Was wir damit sagen wollen: Der R8 RWD hat einen sehr langen Atem, bevor dann irgendwann das Heck kommt. Aber – und das ist typisch für Mittelmotor-Sportwagen – wenn es kommt, kommt es mit Schmackes.

Eine aussterbende Spezies ist dieser Audi R8 Spyder – der Nachfolger könnte vollelektrisch sein oder mit Hybridantrieb ausgestattet.
Ein weiterer Vorteil des RWD ist das Lenkverhalten. Wir auch immer man den R8 rannimmt, Antriebseinflüsse in den vorderen Rädern sind schlicht nicht vorhanden. Das erlaubt ein fast skalpellartiges Dirigieren des Sportlers sowie ein ultra präzises Einlenken in Kurven.
Verbrauch ist im grünen Bereich
Und was verbraucht so eine Kanone? Naja, weniger als erwartet. Bei uns flossen im Durchschnitt 12,4 Liter Super Plus pro 100 Kilometer durch die zehn Brennkammern. Ist in Ordnung, finden wir. Wer es ruhig angehen lässt, kann den R8 sogar einstellig fahren. Das macht dann aber nicht mehr ganz so viel Spaß, es sei denn, man cruist über Küstenstraßen.
In Sachen Ausstattung ist der R8 Spyder RWD gut aufgestellt. Voll-LED-Scheinwerfer, das Infotainment, Ledersitze und Co. sind immer an Bord. Doch natürlich kann man seinen R8 nach Belieben aufpeppen. So waren in unserem Testwagen Nappaledersitze, diverses Carbon-Dekor und weitere Features an Bord, die einen Gesamtpreis von knapp 190.000 ergaben. Das ist viel, aber immer noch ein großes Stück entfernt vom stärkeren Quattro und eine Mittelklasse-Limousine entfernt vom Huracán Evo Spyder.
Tipp der Redaktion: Unbedingt in die elektrisch anklappbaren Außenspiegel (370 Euro) und das Bang & Olufsen Soundsystem (1.900 Euro) investieren!
Fazit: Der spritzige Zehnzylinder macht vieles wieder gut
Mit dem Audi R8 Spyder V10 RWD haben die Ingolstädter ihren Supersportler noch einmal ordentlich gewürzt. Mit weniger Leistung, aber auch weniger Gewicht und nur einer angetriebenen Achse bringt dieses Prachtexemplar Fahrspaß sondergleichen. Der Preis ist immer noch kein Schnäppchen, doch dieser herrliche Zehnzylinder macht vieles wieder gut. Kritiker werden diesen Bericht vielleicht verteufeln. Doch was solls, immerhin sind die Tage des R8 wohl gezählt. Ob der Nachfolger wirklich vollelektrisch sein soll, steht noch nicht fest. Es gibt sogar Gerüchte über einen möglichen Hybridantrieb mit viel Hubraum. Wir wollen uns daran nicht beteiligen und drehen noch eine Runde mit Tyrannosaurus R (8).