Die Sache mit dem i4, sie war ja nur eine Frage der Zeit. Genau genommen sogar überfällig. Denn irgendwann mussten sie bei BMW, wo der Elan in Sachen E-Autos durch den überschaubaren Erfolg des stromernden Erstlings i3 zwischenzeitlich eher gedämpft schien, noch richtig einen auf diesem Gebiet raushauen. Schließlich gilt es, einem Ruf gerecht zu werden: Dem, dass sie sich in München auf den Bau von Autos verstehen, die sich in ihrem jeweiligen Konkurrenzumfeld das Prädikat „besonders sportlich“ anheften dürfen. Und so steht er dann da – kein SUV wie die batterieelektrischen Verwandten iX3 und iX, sondern in der Form eines 4er Gran Coupé mit seiner geduckten, fließend-dynamischen Linie. Nur umgewidmet zum i4.
Vor allem aber ist der mit dem Zusatz M50 versehen. Wobei die 50 für die stärkere der beiden angebotenen Leistungsstufen steht – und das M für sich. Denn der Buchstabe kennzeichnet bei den Bayern traditionell den Talentschuppen unter all den Dynamikern. Oder wenn man so will: die Sportförderkompanie des Hauses. Und dort muss sich der i4 als erstes rein elektrisch angetriebenes M-Modell nicht verstecken, schon gar nicht schamhaft. Weshalb sollte er das auch mit den beiden E-Motoren, die sie ihm an die Achsen gepackt haben; hinten mit 230 kW und vorn 190 kW so stark, dass sie jeweils für sich genommen ein mehr als auskömmliches Voranschreiten garantierten. Im Zusammenspiel verbünden sich die beiden fremderregten Synchronmotoren zu 400 kW Systemleistung, das macht 544 PS in alter Währung. In einem viertürigen Coupé, das mit 4,78 Metern so eben noch zur Mittelklasse gerechnet werden darf. Puh.

Bitte genau hinschauen: Ganz rechts am Kofferraumdeckel steht der entscheidende Hinweis. Nämlich M50 – dahinter steckt die stärkere der beiden i4-Varianten. Und stark, das meint in diesem Fall keine halben Sachen, sondern zwei E-Motoren, die gemeinsam 400 kW Leistung an alle vier Räder schicken.
Aber dass die Möglichkeiten der E-Mobilität Leistungswerte mit sich bringen, denen die über viele Jahrzehnte gültigen Deutungsmaßstäbe von PS-Zahl und Fahrzeugklasse piepegal sind – daran haben wir uns längst gewöhnt. Und so geht es auch beim i4 M50 nie um eine Form von Leistungswahn – sondern um ein wahnsinniges Fahrerlebnis. Ja, sein Sprintvermögen (3,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100) stellt das eines M4 Coupé mit Verbrenner (4,2 Sekunden) in den Schatten. Aber darum geht am Ende nicht. Denn die unfassbare Leistung des i4 ist zwar da, verleitet aber nicht dazu, ständig schwarze Striche auf den Asphalt zu gummieren. Man könnte, wenn man nur wollte, das schon. Aber eigentlich, und darum geht es, will man nur in Ruhe genießen.
Zum Beispiel dass unterwegs die Zeit, der dabei durchquerte Raum und die Außenwelt unwirklich voneinander entkoppelt scheinen. Auf eine Art, die ein neunjähriger Beifahrer vermutlich am treffendsten beschrieb: „Der kann Hyperraum.“ Oh ja, das kann der i4. Und wem es bisher an Vorstellungskraft in Sachen Hyperraum mangelte: Die passende Soundkulisse dazu hat BMW seinem Starkstromer auch verpasst. Iconic Sounds nennt sich das – und was dann beim Tritt aufs Fahrpedal in den Innenraum dringt, hat was von Startrek. Und von Ingenieurshumor. Alsbald wird das akustische Klanggewitter aber verzichtbar. Also in den Einstellungen das Häkchen bei Iconic Sounds rausnehmen – zurück zur Ruhe.

Soll es heute noch Gewitter geben? Ein Klanggewitter ganz sicher – jedenfalls dann, wenn die Iconic Sounds über die Fahrzeugeinstellungen des i4 aktiviert wurden. Dann setzt es beim Druck aufs Fahrpedal ein akustisches Spektakel, das man zwar nicht auf Dauer braucht, aber mal erlebt haben sollte.
Denn auch das gehört zur E-Mobilität: Trotz des supersportelnden Leistungsvermögens ist der i4 ein begabter Reisewagen – mit 470-Liter-Gepäckabteil und sogar für die Familie. Wenngleich die Beinfreiheit auf den hinteren Sitzen von verschwenderischer Üppigkeit ein Stück entfernt ist. Bei mittlerem Tempo auf der Autobahn (möglich wären hier maximal 225 km/h), vor allem aber bei Überlandpassagen zieht der BMW – Iconic Sounds off – lautlos seine Bahnen. Selbst dann, wenn die Adaptivdämpfer auf den straffen Sport-Modus gestellt sind, ist akzeptabler Restkomfort gewährleistet. Im Comfort-Modus übt sich der i4 im Gleiten für Fortgeschrittene.
Begünstigt wird die satte Straßenlage durch den tiefen und gewichtigen Schwerpunkt – durch den Batteriepack von 84 kWh Kapazität kommt der M50 auf nahezu 2,3 Tonnen. So ist der Stromverbrauch zwar nicht gering, aber dennoch gemäßigt. Dazu trägt die Anwahl der adaptiven Rekuperation bei, die zunächst ein wenig schüchtern, dann aber umso stärker verzögert und Energie zurückgewinnt. Im Stadtbetrieb landeten wir so bei knapp über 20 kWh/100 km, ausgedehnte Autobahnabschnitte im Bereich um 160 km/h trieben den Durchschnitt in Richtung 23 kWh. Wer eilt, der weilt – öfter an der Ladesäule.
Wobei: Das technische Rüstzeug, um am HPC-Schnelllader kurzen Prozess zu machen, hat der BMW. Maximal 205 kW soll der i4 ziehen – und bei geleertem Stromspeicher geht es anfangs auch real in diese Richtung, auf dass sich die Ladeleistung alsbald aber im Bereich um die 160 kW einpendelt.

Ladepause mit dem i4 – die reicht kaum, um in Ruhe den motor.markt des WESER-KURIER zu lesen. Denn der BMW zieht bei geleertem Akku am Schnelllader anfangs mit bis zu 205 kW Leistung neue Energie in den 84 kWh großen Speicher.
Das reicht immer noch, um den Akku in einer knappen halben Stunde mit gut 250 Kilometern neuer Reichweite zu versehen. Zumindest laut Bordrechner. Doch der orakelt bei voller Ladung auch ein Maximum, das knapp oberhalb der Marke von 400 Kilometern liegt – was mit der Praxis nichts zu tun hat. Soll es sorgenfrei auf Strecke auf gehen, sollte mit 300 Kilometern zwischen zwei Ladestopps geplant werden.
Gereist wird dabei in einem Innenraum, bei dem BMW jene Routine ausspielt, die über viele Jahre im Premiumsegment erworben wurde. Die verwendeten Materialien wirken in Auswahl wie Verarbeitung hochwertig, dazu sitzt es sich auf den M-Sportsitzen (990 Euro Aufpreis) so, wie es sein soll: mit viel Halt, aber dennoch nicht in Schraubstockmanier.
Vor den Augen der Frontpassagiere tut sich bei BMW neuerdings die breitwandige Monitorlandschaft eines leicht gebogenen Doppeldisplays auf. Das sieht prima aus, bringt aber zugleich einen weniger eingängigen Bedienkomfort als in den bisherigen Modellen mit sich.

Auf hübsche und hochwertig möblierte Innenräume verstehen sie sich ja bei BMW. Nun auch mit einem breitwandigen Doppeldisplay, das Cockpit und die zentrale Bedieneinheit für das Infotainment beherbergt. Und neuerdings leider auch die Steuerung der Klimatisierung.
Denn zum neuen Konzept gehört, dass die separate Steuereinheit der Klimatisierung mit Drehreglern und Tasten nunmehr Geschichte ist. Stattdessen will und muss das Wohlfühlklima über den Widescreen getippt, gewischt, gescrollt werden. Auch die Aktivierung der Sitzheizung will dort erst mal ausfindig gemacht werden. Das wirkt zwar alles sehr fortschrittlich, ist aber in Sachen Alltagsnutzen kein Fortschritt.
Aber alltäglich, das kann er ja gar nicht sein, dieser i4 – dafür sorgt beim M50 schon ein Einstandspreis, der die Grenze von 70.000 Euro passiert hat und im leichtfertigen Taumel durch die Optionsliste viel Raum nach oben bietet. Den Hyperraum aber, den gibt es ganz ohne Aufschlag.