Der Weg in die Zukunft, zu unternehmerischem Erfolg, ist keine gut ausgebaute Schnellstraße, sondern ein schmaler Grat. Zu dessen Seiten liegen kluge Entscheidungen mit Weitblick hier, möglicherweise weniger kluge dort; es braucht nur je einen Schritt dorthin. Auf eine solche Gratwanderung hat sich Porsche 2024 mit dem Macan begeben.
Denn das kleinere der beiden SUV im Programm des Sportwagenherstellers war seit seinem Debüt 2014 stets ein Garant für hohe Stückzahlen, über mehrere Jahre auf dem deutschen Markt sogar das begehrteste Modell der Stuttgarter. Entsprechend irritiert zeigte sich die Fangemeinde dann von der Nachricht, dass die Zweitauflage ohne die turbogeladenen Verbrenner mit vier und sechs Zylindern auskommen muss und ausschließlich von E-Motoren angetrieben wird. Eine gute, weil zeitgemäße Entscheidung – oder ein fahrlässiger Verzicht auf einen Teil der Porsche-DNA? Zur Klärung des Sachverhalts tritt an: das Basismodell des neuen Macan unter Strom.
Bei dem handelt es sich – seit Einstellung der Zweisitzer-Baureihe 718, die wohl noch bis 2027 auf ihre ebenfalls elektrische Neuauflage warten muss – mit 80.700 Euro Grundpreis tatsächlich um die nunmehr günstige Eintrittskarte in die Welt der Sportwagenschmiede. Dafür gibt es ein 4,78 Meter langes SUV, dessen Karosserie im Vergleich zur ersten Generation nicht nur um zehn Zentimeter gewachsen ist, sondern vor allem aerodynamisch geschliffen wurde. So strömt die Luft nun mit einem Cw-Wert von nur 0,25 (statt zuvor 0,37) von der Front mit den auffälligen LED-Scheinwerfern über den flachen Aufbau bis hin zum schrägen Heckabschluss mit dem elektrisch ausfahrbaren Spoilerbürzel. Das alles sorgt nicht nur für eine ausdrucksstarke Optik, sondern zahlt sich außerdem in der härtesten Währung der E-Branche aus – denn je geringer Luftwiderstand, desto mehr Reichweite lässt sich aus einer Akkuladung holen.

Die LED-Scheinwerfer an der rundgeschliffenen Frontpartie des Macan sind schon mal sehenswert – mehr noch aber, was dahinter bis zum schrägen Heck wird. Nämlich ein Cw-Wert von nur 0,25. Das ist für ein Fahrzeug dieser Klasse sensationell wenig und hilft beim reichweitenförderlichen Umgang mit den 100 kWh Akkukapazität.
So soll der Macan, ausgerüstet mit einem 100 kWh großen Speicher im Unterboden, bis zu 574 Kilometer weit umherstromern können. Das lässt sich zwar als hoffnungslos optimistische Prüfstandsprosa verbuchen, doch selbst bei den Abzügen, die das echte Leben namens Alltagseinsatz mit sich bringt, lässt sich mit 450 Kilometern recht verlässlich planen. Und auf denen geht es schließlich so voran, wie es von einem Fahrzeug mit dem Porsche-Wappen auf der Fronthaube erwartet werden darf: leichtfüßig und stets mit souveränen Reserven in der Hinterhand.
Zwar bezieht die Basisversion als einziger Hecktriebler im Macan-Angebot ihre Leistung aus nur einem E-Motor, doch der steht mit 250 kW (340 PS) bereits mehr als gut im Futter. Und falls das immer noch nicht reichen sollte, um im Autoquartett einen Stich zu bekommen: Es gibt ja noch den sogenannten Overboost, der beim Aktivieren der Launch Control (übersetzen Sie das getrost mit Raketenstartfunktion) kurzzeitig 265 kW (360 PS) Leistung zulässt. Was dazu führt, dass es den leer gute 2,3 Tonnen schweren Macan in 5,7 Sekunden aus dem Stand bis auf Tempo 100 schiebt. Oder bei einem Überholmanöver auf der Landstraße in kaum mehr als einem Wimpernschlag vorbei an einem Lkw. Das Versprechen des Herstellers an die Fangemeinde, dass sich der Vollelektriker so porschig anfühlt und fährt wie einst die Verbrenner-Macan: Haken dran.
Eine der Voraussetzungen dafür ist jedoch eine gewisse Unerschrockenheit gegenüber der traditionell ellenlangen Optionsliste. Wer diesen Umstand freundlicher formulieren möchte, lobt Porsche dafür, dass den Kunden zahlreiche Möglichkeiten zur Individualisierung geboten werden; im Fall des Testwagens summierten sich diese Dreingaben auf fast 38.000 Euro. Darunter so Entbehrliches wie farblich auf die Außenlackierung abgestimmte Gurte (500 Euro), Lüftungsfunktion (900 Euro) für die Sitze, das Beifahrerdisplay mit Streamingfunktion und integrierten Spielen (1428 Euro) oder aber der Electric Sport Sound (450 Euro), der in toningeniöser Verspieltheit Motorgeräusche simuliert.

Sehen Sie, Sie sehen im Stand nichts: Die coupéhaft abgeflachte Heckpartie des Porsche ist unterhalb der Heckscheibe mit einem Spoilerbürzel ausgestattet. Der fährt aber nur auf Wunsch oder automatisch bei höheren Geschwindigkeiten aus.
Unter fahrdynamischen Gesichtspunkten indes sollte durchaus die eine oder andere Zusatzinvestition in Erwägung gezogen werden. Zum Beispiel für die Hinterachslenkung, die mit 1860 Euro extra berechnet wird oder die adaptive Luftfederung für 2600 Euro. Denn diese Beigaben verschaffen dem Macan eine ausgewogene Handlichkeit, die bei Fahrzeugen dieser Bauart keine Selbstverständlichkeit ist. Bei flotter Gangart senkt sich das SUV – automatisch geregelt oder per Fahrmoduswahl – noch ein wenig tiefer gen Fahrbahn und schnürt unbeirrt durch noch so enge Kurven, unterstützt vom Lenkwinkel der Hinterräder. Wie sehr der Porsche davon profitiert, verdeutlich sein Wendekreis: 11,1 Meter liegen in etwa auf dem Niveau von Kompaktklässlern wie Opel Astra oder VW Golf.
Bemerkenswert auch die Performance, die der Macan beim Nachfassen von Energie zeigt – zumindest dann, wenn er dafür am Schnelllader stoppt. Denn nach Premiumart setzt der Porsche auf ein 800-Volt-System, das an der DC-Säule bis zu 270 kW Leistung zulässt. Das erfordert zwar Idealbedingungen, doch selbst im kalten Zustand lagen im Testbetrieb immer wenigstens Werte um die 125 kW an.

Viel stilvoller lässt sich der Ladegang nicht starten: Die Ladeklappe des Macan surrt elektrisch betrieben beiseite und zieht sich unauffällig in die Karosserie zurück. Natürlich kostet diese Show wie – fast alles bei Porsche – trotz des hohen Grundpreises extra. In diesem Fall sind es 570 Euro.
Sehr alltagspraktisch dabei: Der Macan verfügt auf beiden Seiten der Karosserie über Ladeanschlüsse, deren Klappen sehr stilvoll (und man ahnt es: für 570 Euro Aufpreis) elektrisch beiseite surren. Die Buchse auf der rechten Seite beschränkt sich dabei auf den Typ-2-Stecker wie ihn Wallboxen oder öffentliche Wechselstrom-Ladesäulen benötigen – und auf nur elf kW Leistung. Was so ärgerlich wie dieser Preisklasse unangemessen ist.
Außer Diskussion steht dagegen die hohe Qualitätsanmutung des Innenraums, sowohl bei den verwendeten Materialien wie deren Verarbeitung. Der extrem hohe Wohlfühlfaktor tröstet zugleich darüber hinweg, dass sich Rückbänkler jenseits der 1,85 Meter Körpergröße durchaus etwas mehr Platz wünschen – da stößt die hohe Kunst des E-Sports dann an ihre Grenzen.
Was noch aussteht: Die Antwort auf die Eingangsfrage, wie die Entscheidung, den Macan rigoros ins E-Zeitalter zu überführen, zu bewerten ist. Einen Hinweis liefert die Gerüchteküche. Dort hält sich hartnäckig, dass Porsche angesichts unbefriedigender Verkaufszahlen seines einstigen Goldesels spätestens 2028 doch wieder ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor oder als Hybrid bringen will.

Auf dem Platz links wird gefahren, auf dem rechts startet das Unterhaltungsprogramm: Ist das Beifahrerdisplay für 1428 Euro Aufpreis an Bord, bietet der Macan den Mitfahrern Zerstreuung per Streaming oder Spielen. Wer Sicherheitsbedenken hat – vom Fahrersitz aus ist das vergnügliche Treiben dank Spezialfolie tatsächlich nicht zu sehen.