Die Verbreitung gefälschter Nachrichten reicht weit zurück. Ihr Ziel: die Manipulation der öffentlichen Meinung. Ein Beispiel für eine Falschnachricht in der Vergangenheit ist die „Dolchstoßlegende“. Sie war eine in die Welt gesetzte Verschwörungstheorie, um das politische System der Weimarer Republik zu destabilisieren.
Demnach wurde behauptet, dass das deutsche Heer im Ersten Weltkrieg „an der Front unbesiegt“ gewesen sei. Revolutionäre Kräfte, die Streikbewegungen sowie linke Parteien und Politiker mit ihren Friedensbemühungen seien dem deutschen Heer „in den Rücken gefallen“. Die Falschnachricht traf auf offene Ohren und trug mit zur Diskreditierung der Weimarer Republik bei.

Auch wenn es schon immer gezielt verbreitete Lügen gegeben hat, so ist der Begriff Fake News, übersetzt: Falschmeldungen, dennoch ein neues Phänomen, erklärt Leif Kramp vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen. Der Begriff beziehe sich auf die Art der Verbreitung der intentional manipulativen Falschinformationen – über soziale Medien. „Fake News hängen unmittelbar mit dem Social Web zusammen“, sagt Kramp. „Durch die massenhafte Verbreitung über soziale Netzwerke entsteht ein viraler Effekt. Das ist relativ neu.“
Die Motive für die Verbreitung von Fake News: Politische Diskurse sollen verschoben sowie Angst und Hass gegenüber bestimmten Personengruppen geschürt werden. Fake News sollen Verunsicherung schaffen und Unruhe stiften. Das ganze reiche bis zur Wählerbeeinflussung mit Fake News in Wahlkampagnen.

Julia Egbers ist Lehrerin und medienpädagogische Beraterin. Sie hat gemeinsam mit Spiegel-Redakteur Armin Himmelrath ein Handbuch für Schule und Unterricht zum Thema „Fake News“ verfasst.
Fake News werden nach den Angaben von Leif Kramp immer öfter über direkte Messenger-Dienste verbreitet, wie etwa über Whatsapp oder Telegram. „Viele Nutzer sind verunsichert, wenn sie solche Nachrichten von Freunden oder Familienmitgliedern weitergeleitet bekommen“, sagt Kramp.
Fake News und populistische Inhalte werden laut einer Studie der Oxford University aus dem Jahr 2019 auf Facebook öfter geteilt als Medien aus verlässlichen Quellen. Das ist ein Problem, betont Kramp. Journalismus werde zudem häufig nicht mehr erkannt. Die Nachrichtenkompetenz fehle bei vielen Nutzern. Die Aufgabe des Journalismus sei, die Nachrichtenkompetenz zu stärken. „Zeitungen müssen einen Dialog mit den Lesern suchen, neue soziale Formate entwickeln, ihre Strukturen überdenken und eine Vertrauensinstanz aufbauen, insbesondere zu jungen Lesern“, sagt Kramp.
Auch Faktenchecks seien wichtig. „Es ist aber auch notwendig, dass der Journalismus mehr mit der Bevölkerung in Verbindung tritt.“ Das Stammpublikum werde immer älter. Daher sei es wichtig, junge Leser anzusprechen und damit eine neue Zielgruppe an sich zu binden. Laut Kramp vergessen das viele Medienhäuser.
Wenn man die journalistische Praxis und Qualität stärke, könne man auch Fake News besser bekämpfen. Die wirtschaftlichen Zahlen der Verlage würden sich zudem automatisch verbessern, wenn es wieder eine Vertrauensinstanz zu den Lesern gebe. Nicht nur der Journalismus, auch die Politik und die großen Techkonzerne müssten dringend gegen Fake News angehen. „Ich vermisse da noch eine breite Allianz“, sagt Kramp.

Über Fake News und Soziale Netzwerke zu kommunizieren gehört zur „medienpädagogischen Grundausstattung“, betont Julia Egbers aus Schwanewede. Gemeinsam mit dem Spiegel-Redakteur Armin Himmelrath hat die Lehrerin und medienpädagogische Beraterin ein Handbuch für Schule und Unterricht zum Thema „Fake News“ verfasst.
Fake News können laut Egbers schwieriger enttarnt werden, wenn man sich lediglich durch Überschriften scrolle oder sich stets innerhalb der eigenen Filterblase bewege. „Wenn mich Nachrichten argwöhnisch machen, gilt es, eine zweite Quelle hinzuziehen“, sagt Egbers. Sind die Nachrichtenseiten unbekannt, sollte man das Impressum überprüfen. Fake News seien für jedermann bedeutsam, da sich über den Nachrichtenkonsum eine persönliche Meinungsbildung vollziehe, so die Lehrerin.
Laut Kramp muss man Fake News sehr ernst nehmen. „Das sind teilweise Reichweiten, die der Journalismus in seinen besten Zeiten nicht erreichen kann“, so Kramp. „Fake News haben das Potenzial, die Welt zu erschüttern.“
Julia Egbers
ist Lehrerin und medienpädagogische Beraterin. Sie hat gemeinsam mit Spiegel-Redakteur Armin Himmelrath ein Handbuch für Schule und Unterricht zum Thema „Fake News“ verfasst.
Leif Kramp
ist seit 2011 Forschungskoordinator am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher zu den Themen Medien und Journalismus.
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Dieser Artikel ist Teil der Sonderveröffentlichung zum 75. Geburtstag des WESER-KURIER. Am 19. September 1945 erschien die erste Ausgabe unserer Zeitung. Anlässlich des Jubiläums blicken wir zurück auf die vergangenen Jahrzehnte: Erinnern uns an die Anfänge unserer Zeitung und auch an die ein oder andere Panne. Und wir schauen nach vorn: Wie werden Künstliche Intelligenz und der Einsatz von Algorithmen den Journalismus verändern? Natürlich denken wir auch an Sie, unsere Leser und Nutzer. Wer folgt unseren Social-Media-Kanälen, wer liest unsere Zeitung? Was ist aus den Menschen geworden, über die wir in den vergangenen Jahren berichtet haben? Und wie läuft er eigentlich ab, so ein Tag beim WESER-KURIER?