Dennis Kurtaj hat den Blick auf den großen Teller gesenkt. „Jeder in der Balkan-Küche kennt das“, sagt er über die Spezialität, die in seiner Familie mindestens zwei bis drei Mal die Woche gekocht wird: Pasul. So heißt die Bohnensuppe, die sich an diesem Tag als ideale Vorspeise erweist. Es ist nämlich kalt. Draußen haben die Temperaturen die Wintersaison eröffnet, aber auch im Balkan Grill Sofra ist es dank eines regen Zulaufs an Kunden, durch den die Türen andauernd auf und zu gehen, nicht gerade kuschelig.
Während ich meine Hände abwechselnd am Teller wärme und mir löffelweise Leben hole, taut auch mein Gegenüber auf. „Es fing alles mit Corona an“, sagt der 27-Jährige. „Wir hatten schon unser Feinkostgeschäft für Balkanware. Aber wir haben überlegt, was man noch starten kann. Dann haben wir viel mit Cevapcici getestet, sie an Freunde verteilt und uns Feedback geholt.“ Aus der positiven Resonanz schöpften Kurtaj und seine Partner schließlich den Mut, den Schritt ins Gastrogeschäft zu wagen.
Nun ist es nicht so, dass diese Stadt eine Armut an Restaurants hätte, die "Balkan" anbieten oder sich zumindest so bezeichnen. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb musste ich aufhorchen, als ich von der Eröffnung dieses in Walle gelegenen Balkan Grill Sofra hörte. Vielleicht, so meine Hoffnung im Vorfeld, würde uns die Küche jenseits der Hügel aus Fleisch und Frittiertem zu weniger bekannten Höhepunkten der kulinarischen Tradition führen.
Die Suppe aus weißen Bohnen, Trockenfleisch, dreierlei Paprika, Karotten und Zwiebeln ist dabei weder das eine noch das andere. „Es könnte mehr Gemüse hinein. Und es könnte gewürzter sein“, äußert Kurtajs Frau Melinda ihre Kritik, mit der ich völlig einverstanden bin. Und nur addieren mag, dass vier Euro für diese große Portion viel zu günstig sind.
Probiert und empfohlen: Für das nächste Gericht benötigt man Geduld. Um genau zu sein, mindestens 40 Minuten. Denn so lange braucht das hier stets erst auf Bestellung gebackene Börek (10,00 Euro) im Ofen. Und was herauskommt, duftet nicht nur gigantisch, es schaut auch ebenso aus. Ein goldgelbes Blätterteiggebäck, das mindestens für zwei Personen reicht.
„Börek isst man oft morgens“, erzählt Kurtaj, während er sich durch den knusprigen Teig schneidet und unsere jeweiligen Portionen fertig macht. „Am besten mit einem Klacks Joghurt drauf“, kommentiert der Experte und haut einen Klacks Kaymak auf meine Portion. „In der Mitte ist es genau richtig“, zeigt er sich zufrieden. „Aber außen ist es zu knusprig. War wohl zu lange im Ofen.“
Ich teile den Eindruck, aber halte dagegen, dass die Buttrigkeit des Teiges sich selbst einen guten Ausgleich schafft. Und wo nicht, leistet die würzige Rinderhack-Zwiebelfüllung zusammen mit dem frischen Joghurtklecks Abhilfe. Das Gesamtergebnis ist daher ein Börek, der in einer Stadt, die ihn fast nur als entsaftete Trockenbackware kennt, seinem Namen alle Ehre macht.
„Ich bin ganz ehrlich, ich bin großer Fan“, preist der gebürtige Auricher unser drittes Gericht an, das zu den bekanntesten Balkan-Klassikern zählt: Cevapcici. Hier werden sie mit Brot, Salat, diversen eingelegten Paprika, Ajvar, Käsecreme, Knoblauchdip und einer Beilagenauswahl angeboten (6,50 Euro). Kurtaj greift direkt zum Brot, reißt sich einen Fladen ab, schiebt mit einer Gabel eines der Hackfleischröllchen hinein und beißt beherzt zu. „Gut gegrillt“, lautet sein positives Fazit, dem er ein Ärgernis hinterher schiebt: „Die haben nicht abgewartet, um zu fragen, welche Beilagen wir wollen.“
Stimmt. So bestellen wir uns noch Pommes dazu (2,00 Euro). Die Pommes, die für Kurtaj einen Tick zu lange in der Fritteuse waren, sind für mich solide. Das Brot erweist sich als dankbare Grundlage für die vor Saftigkeit triefenden Cevapcici, die für mich leider überwürzt sind. „Sonst wäre es aber kein Cevapcici“, kritisiert Kurtaj den Kritiker. Und liefert ein Argument, gegen das ich nicht ankomme: „Das kommt vom Balkan. Und der Balkan liebt Gewürze.“