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Aktionswoche Sucht Alkohol bleibt Droge Nummer eins

Die Pandemie hat die Suchtproblematik in Bremen offenbar verstärkt. Das betrifft nicht nur den Konsum von Alkohol und Drogen. Auch Verhaltenssüchte nehmen zu. Eine davon wird zunehmend zum Problem.
14.05.2022, 13:46 Uhr
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Alkohol bleibt Droge Nummer eins
Von Ulrike Troue
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Bei 22 von 1.000 Menschen in Bremen haben Ärztinnen und Ärzte im vergangenen Jahr eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert. Das belegt die diesbezügliche Studie des Barmer Instituts für Gesundheitsforschung vom Dezember 2021. Damit gibt es im Bundesland Bremen über 50 Prozent mehr alkoholkranke Menschen als im Bundesschnitt, der bei 14 von 1.000 Personen liegt.

Es sei gut, dass die Menschen diagnostiziert würden, kommentiert Suchtreferentin Eva Carneiro Alves die Erhebung. "Auch wir gehen davon aus, dass wir einen hohen Betroffenheitsgrad an Alkoholkranken haben und bemühen uns, die Menschen in eine Behandlung zu bekommen, weil dadurch das Gespräch eröffnet ist", erklärt die Fachfrau aus dem Gesundheitsressort. "Denn das hilft ungemein."

Problem des verdeckten Konsums

Die Ansprache von Betroffenen insgesamt indes sei sehr schwer. Der verdeckte Suchtmittelkonsum im Alltag, vor allem gesellschaftlich tolerierter Suchtmittel wie Alkohol, macht ihr zufolge nach wie vor den größten Anteil an stoffbezogenen Suchterkrankungen aus. Und ein offenes Gespräch über dieses Thema werde auch im engen Umfeld vielfach verdrängt, schildert sie.

Das Gesundheitsressort fördert die Auseinandersetzung mit der Suchtthematik in der Öffentlichkeit und unterstützt daher auch die Aktionswoche Sucht. "Die Entstigmatisierung von suchtbezogenen Problemen, ohne selber stigmatisiert zu sein, bleibt noch lange eine große Herausforderung", sagt Suchreferentin Eva Carneiro Alves, die beim Fachtag über Herausforderungen und Veränderungen in Bremen spricht.

Aktuelle Erhebungen als Grundlage

Als aussagekräftige Basis für die Planung bedarfsgerechter Angebote sollen zwei aktuell beauftragte statistische Erhebungen dienen: die Schulbus-Studie unter Bremer Schülerinnen und Schülern, die im Sommer präsentiert werden soll, und der Epidemiologische Suchtsurvey, mit dessen Umfragewerten die Behörde zum Jahresende rechnet. Parallel dazu hat sie aufgrund eigener Erkenntnisse und der aus anderen Ressorts, Kliniken und von freien Trägern neue Ziele gesteckt.

Die Früherkennung soll deutlich ausgebaut werden. "Wir wollen die Menschen früher erreichen", umreißt die ehemalige Leiterin der Bremischen Landesstelle für Suchtfragen als wichtigstes Aufgabenfeld. "Vor allem durch Ausweitung der digitalen Beratungsangebote." Sie seien niedrigschwellig und erreichten eher auch Jüngere. Zudem sei es wünschenswert, dass Suchtprobleme dort angesprochen werden, wo sie sichtbar würden. "Aufklärung ist ganz wichtig, da künstlich hergestellte Drogen eine immer größere Rolle spielen", berichtet Eva Carneiro Alves.

Wie Gesundheitsschutz erhöht wird

Die zweite zentrale Herausforderung ist, den Gesundheitsschutz für suchtkranke Menschen und diesbezügliche Hilfen zu erhöhen. Als Beispiele nennt die Suchtreferentin die Errichtung eines festen Drogenkonsumraums, um Konsumenten Safer-use-Maßnahmen vermitteln und einen Weg für den Ausstieg aufzeigen zu können. Zu diesem Aufgabenfeld zählt sie ebenso die kontrollierte Abgabe von Cannabis und "drug checking", die chemische Analyse der Substanz und damit verbunden die Patientenberatung. Beides steht im Bremer Koalitionsvertrag, ist auf Bundesebene aber rechtlich noch nicht abgesichert.

Um Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen eher zu erreichen, hat Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard bei den Hilfen für Betroffene den Weg zur Dezentralisierung der Angebote eingeschlagen. Die Gesundheitslotsen sind ein Beispiel dafür, dass Aktivitäten entwickelt werden, um Gesundheitsthemen in den Stadtteilen zu platzieren und möglichst an bestehende Angebote anzubinden.

"Seit dem vergangenen Jahr machen wir im Suchtbereich sehr viel mehr Streetworkangebote", spricht Eva Carneiro Alves das Aktionsprogramm Hauptbahnhof an. Dadurch wurden zwei volle Stellen für muttersprachliche Straßensozialarbeit, 1,5 Streetwork-Stellen für drogenabhängige Eltern sowie eine Stelle für psychosoziale Begleitung geschaffen. Zusätzlich wurden je eine Streetworker-Stelle in Osterholz und Gröpelingen angesiedelt. 

Pandemie als Problemverstärker

Die Covid-19-Pandemie habe die Suchtproblematik verstärkt, stellt Eva Carneiro Alves fest. "Es gibt Hinweise, dass der problematische Medienkonsum gestiegen ist – bei Schülern und Erwachsenen – und in dem Bereich gibt es aktuell die größte Nachfrage", führt sie aus. Als erste Reaktion darauf wurden die Fördermittel für die Fachstelle Medienabhängigkeit verdoppelt. Bundesweit werde davon ausgegangen, so die Bremer Suchtreferentin, dass auch Drogenabhängige ihren Konsum in der Krise erhöht hätten. Ein Beleg: 2019 starben 18 Menschen in Bremen an den Folgen des Rauschgiftkonsums, 2020 hat sich ihre Zahl auf 41 erhöht, also mehr als verdoppelt.

"Isolation ist für Suchtkranke sehr schwierig", weiß Eva Carneiro Alves aus ihrer Erfahrung als ehemalige Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen. Umso dankbarer sei die Gesundheitssenatorin dafür, dass die Sucht-Selbsthilfe so gut funktioniert habe. "Gute Versorgung hat immer mit vernetzter Zusammenarbeit zu tun", betont die Suchtreferentin und ist froh über die enge Vernetzung mit freien Trägern, Kliniken, anderen Behörden und Vereinen, die das Thema suchtmittelbezogene Störungen im Blick haben.

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