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Psychiatrie-Modellprojekt Standortfrage vorerst zurückgestellt

Im Bremer Westen ist ein Modellprojekt zum Psychiatrie-Umbau geplant. Ab Anfang Juni soll dieses Konzept von allen beteiligten Akteuren gemeinsam verfeinert werden.
23.05.2022, 11:00 Uhr
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Standortfrage vorerst zurückgestellt
Von Anne Gerling

Die psychiatrische Versorgung im Bremer Westen soll, wie berichtet, neu aufgestellt werden. Ein zentrales Stichwort dabei lautet „Home Treatment“. Gemeint ist damit, dass ein Fachkräfte-Team die Patienten in deren gewohnter Umgebung versorgt, wodurch die Zahl der Klinikaufenthalte reduziert wird. Hintergrund ist die 2013 von der Bremischen Bürgerschaft beschlossene Reform der Bremer Psychiatrie von stationär zu ambulant.

Für den Bremer Westen gibt es seit etwa fünf Jahren ein Modellkonzept, das der 2017 unter dem Dach des Vereins Blaue Karawane entstandene Arbeitskreis „Neue Psychiatrie im Bremer Westen“ entwickelt hat (wir berichteten). Herzstück des Papiers ist ein regionales Zentrum für seelische Gesundheit, das psychisch Kranken niedrigschwellig passgenaue Hilfen und Unterstützung in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld bieten kann. Diverse Einrichtungen, Träger und die Beiräte in Findorff, Walle und Gröpelingen stehen hinter dem Konzept. Seit Anfang des Jahres ist ein nach Ansicht des Arbeitskreises gut geeigneter Ort für die Einrichtung gefunden: In Absprache mit der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) wurde ein 5000-Quadratmeter-Grundstück an der Hafenstraße reserviert, auf dem dem Waller Psychiater Klaus Pramann zufolge in zwei Jahren mit dem Bau des Versorgungszentrums begonnen werden könnte.

Irritationen über Grundstück

Ende März kam es dann zu Irritationen, als die Bremer Werkgemeinschaft (BWG) und der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) das Grundstück an der Waller Heerstraße 122 ins Spiel brachten, auf dem sie sich einen Teil des im West-Konzept entwickelten Versorgungsangebotes vorstellen könnten. „Wir finden die Diskussion um ein Entweder-oder fatal“, hat dazu nun in einer gemeinsamen Sitzung der drei West-Stadtteilbeiräte BWG-Geschäftsführer Lutz-Uwe-Dünnwald unterstrichen. Und: „Der Standort Waller Heerstraße 122 ist noch absolut in der Schwebe.“

Konzentriere man sich auf einen einzigen Standort, so berge dies immer auch die Gefahr, dass ein Getto gebildet werde, gab Dünnwald außerdem zu bedenken. Klaus Pramann von der Blauen Karawane hielt dagegen: „Das wird kein Getto, weil da ja gar nicht viele Leute untergebracht werden.“ Schließlich seien im Konzept lediglich 16 Betten eingeplant und mit dem Home Treatment finde der wesentliche Teil der Behandlungsarbeit vor Ort bei den Patienten statt. „Es muss einen Ort geben, wo das organisiert wird und der offen ist. Es ist notwendig, dass man es an einem Ort macht“, betont Pramann, „denn wenn man die Angebote verstreut, gibt es keine Kontinuität. Und Kontinuität ist das A und O bei der Behandlung.“

Es gibt viele Stolpersteine, die wir ausräumen müssen, das kann den Prozess auch verzögern.
Jörg Utschakowski, Gesundheitsbehörde

Gesundheitsressort und Geno stellten bei der Sitzung in der Mensa der Gesamtschule West (GSW) die Standortfrage zunächst in den Hintergrund. Sein Haus unterstütze das West-Konzept, sagt etwa Jörg Utschakowski, der in der Gesundheitsbehörde für die psychiatrische Versorgung zuständig ist. Es gelte dabei aber diverse organisatorische Herausforderungen zu meistern: „Bei allen guten Ideen müssen wir gucken, ob auch die Geno das mitträgt und ob wir es finanzieren können. Es gibt viele Stolpersteine, die wir ausräumen müssen, das kann den Prozess auch verzögern.“ Womöglich könnte für die Geno die Nutzung einer bereits vorhandenen Immobilie die beste Option sein, so der Psychiatrie-Referatsleiter: „Insofern warne ich davor, zu glauben, dass das Konzept nur an der Hafenstraße funktionieren und nur in dieser einen Form passieren könne.“

Klausurtag im Juni

Gelinge es, das Budget nicht mehr in Plätzen und Betten zu denken, sondern regional, dann „wären das paradiesische Zustände, weil wir nicht mehr gucken müssten, ob Betten belegt werden“, sagt wiederum Martin Bührig, der bei der Geno das Psychiatrische Behandlungszentrum Nord leitet. Am Freitag, 3. Juni, treffen sich ihm zufolge alle Beteiligten zu einem Klausurtag, um das West-Konzept gemeinsam weiterzuentwickeln. Bührig: „Wir haben der Senatorin versprochen, dass wir innerhalb von drei Monaten ein Konzept vorlegen.“

Die Aussicht auf eine konstruktive Zusammenarbeit sämtlicher Beteiligten kommt bei den West-Beiräten gut an; der Waller Beirat hatte schon im März angemahnt, dass alle Akteure zusammen statt gegeneinander arbeiten sollten. „Ich finde es gut, wenn wir hier alle zusammenstehen“, unterstrich nun die Waller Beiratssprecherin Brigitte Grziwa-Pohlmann (SPD).

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