Menschen über 70 Jahre, Personen mit einer Immunschwäche und Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern können sich in Bremen seit einigen Wochen ein viertes Mal impfen lassen. Das Impfangebot richte sich nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko), sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. "Für die Alten und Vorerkrankten beträgt der Abstand zur Drittimpfung drei Monate und für die Beschäftigten sind es sechs Monate." Eine neue Studie aus den USA deutet an, dass der Schutz durch den ersten Booster so schnell nachlässt, dass man größere Bevölkerungsgruppen nachimpfen muss, wie die "Welt" berichtete. Was Bremerinnen und Bremer jetzt wissen sollten.
Wie viel doppelt geboosterte Menschen gibt es bisher?
Bei den Impfstellen und offenen Angeboten der Stadt Bremen sind laut Fuhrmann bis einschließlich Donnerstag 1932 Menschen ein viertes Mal geimpft worden. "Auf die Altersgruppe der über 70-Jährigen bezogen, die bei uns geimpft worden sind, sind 20.000 berechtigt", sagt Fuhrmann. "Das heißt, knappe zehn Prozent sind bereits zum vierten Mal geimpft worden." Zahlen aus den Arztpraxen liegen derzeit nicht vor. Anhand der kassenärztlichen Abrechnungen könne man nicht unterscheiden, um welche der beiden Auffrischungsimpfungen es sich handele, sagt Christoph Fox, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen. Für Niedersachsen liegen bislang keine Zahlen vor, heißt es seitens des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.
Wird es für alle eine vierte Corona-Impfung geben?
"Das ist schwierig zu sagen", sagt Fuhrmann. Die Ergebnisse aktueller Studien seien unterschiedlich, aber noch sei die Menge an wissenschaftlichen Informationen dünn. Sebastian Springer, Professor für Biochemie und Zellbiologie an der Jacobs University Bremen, geht davon aus, dass eine vierte Impfung für alle benötigt wird. "Die Datenlage der Studien ist im Moment so, dass vermutliche alle von diesen Boosterimpfungen profitieren", sagt Springer. Dass mehrere regelmäßige Auffrischungen sinnvoll sind, könne mehrere Gründe haben: "Das kann an der Natur der Immunantwort liegen, aber eben auch daran, dass das Virus sich verändert." Derzeit gebe es auch keine Gründe anzunehmen, dass das Virus nicht weiter mutiere. "Dieser Prozess der genetischen Veränderungen wird sich erst verlangsamen, wenn es wirklich gelungen ist, die Infektionen auf der Welt deutlich zu senken." Springer sagt, dass deswegen auf die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe sinnvoll sein könnten. "Wie die jährliche Grippeschutzimpfung."
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Was weiß man über die Wirksamkeit der Mehrfachbooster?
Es gibt laut Springer Studien, die besagen, dass die Konzentration der Antikörper nach wenigen Monaten deutlich abfällt. Eine Studie allein sei aber noch nicht sehr aussagekräftig. Es gebe zudem noch keinen richtigen Test für den Immunstatus eines Patienten, weil die T-Zellen, die zur Immunantwort gehörten, schwer zu messen seien. "Die exakte Wissenschaft hinkt ein bisschen hinterher. Aber wir sind in einer Pandemie und fahren auf Sicht. Deswegen kann ich mir vorstellen, dass die Politik sagt, dass wir da etwas vorsichtiger sind."
Welche Nachteile könnten Corona-Mehrfachimpfungen haben?
"Wir wissen auf jeden Fall, dass die Impfungen einen starken, gesundheitlichen Nutzen für alle Altersgruppen bringen", sagt Springer. "Impfungen schützen vor einer schweren Krankheit und sind der einzige Weg, um die Pandemie zu beenden." Es gebe Menschen, die allergisch auf einzelne Bestandteile der Impfung reagieren. Ihnen sei nicht anzuraten, sich mehrfach impfen zu lassen. Für die Mehrzahl der Bevölkerung sind laut Springer neben den normalen Impfreaktionen keine weiteren Effekte zu befürchten.
Auf welche Informationen stützt die Gesundheitsbehörde ihre Entscheidungen?
"Grundsätzlich ist vor unser Vorgehen die Stiko-Empfehlung ausschlaggebend", sagt Fuhrmann. Gleichzeitig verfolgen die Experten der Behörde die Veröffentlichung von Studien, um abzuschätzen, welche neuen Empfehlungen es geben könnte. "Bevor es die Stiko-Empfehlung gab, haben wir selber schon gesehen, was zum Beispiel in Israel passiert. Die haben die vierte Impfung umgesetzt und das Ganze wissenschaftlich begleitet."
Kommen kontinuierliche Corona-Impfungen?
"Wir richten uns als Stadt Bremen darauf ein, öffentliche Impfangebote im Jahr 2022 aufrechtzuerhalten", sagt Fuhrmann. Das habe nicht zwingend mit weiteren Auffrischungsimpfungen zu tun, sondern weil es immer noch eine Impflücke bei den Erstimpfungen gebe. Bei den Drittimpfungen sei diese noch größer. "Natürlich ist es am besten, wenn alle Menschen alle Impfungen bekommen", sagt Springer. "Hilfreicher ist es aber, wenn die Ungeimpften sich impfen lassen. Das reduziert am drastischen die Anzahl der Patienten auf den Intensivstationen."